Die Sonne im Herzen haben ", " Ein sonniges Gemüt haben " sind
Redewendungen, die eher selten verwendet werden, oft scherzhaft, scheinbar
leicht verständlich und nachvollziehbar. Der tiefere Sinn dahinter ist meistens
nicht bewußt. Wenn jemand in Gesellschaft zu einer offenen freundlichen
Kommunikation fähig ist, wenn ein anderer in der Früh in der U-Bahn neben
lauter eingeschlafenen, verschlafenen und mißmutigen
Gesichtern Heiterkeit ausstrahlen kann, wenn der Hippie über eine Wiese geht
und dabei nicht über irgendwelche schrecklichen Weltereignisse nachgrübelt,
sondern sich über Blumen, Bäume und Himmel freut, wenn über dieselbe Wiese ein
Hund läuft und begeistert an jeder Blume schnüffelt, dann können wir sagen, die
" Sonne ist im Herzen ". Wir meinen damit einen Zustand, der
charakterisiert ist durch Liebe und durch Kraft, weiters dadurch, daß er nicht alltäglich ist, etwas Entrücktes,
Außergewöhnliches an sich hat. Zweifellos lieben wir nicht jeden Tag und
kraftvoll sind wir auch nicht dauernd. Wozu brauchen wir noch Gefühle, oder gar
Zustände, die mit den Worten " Sonne " und " Herz "
assoziiert sind? Gefühl ist nur etwas für Außenseiter und Verrückte, speziell
dann, wenn es sich um ein Gefühl handelt, das etwas mit Liebe zu tun hat.
Verliebtheit ist bestenfalls etwas für Jugendliche, aber bei Erwachsenen zählt
oft nur Logik und Vernunft. Sonne und Herz sind Symbole. Sie stehen für Liebe
und Leben. Die Sonne ist das älteste Symbol. Sie hatte eine große religiöse
Bedeutung bei den Ägyptern, Griechen, Römern, Kelten, bei den
Mittelamerikanischen Kulturen und bei vielen Naturreligionen. Bei der
Betrachtung der Sonne verspürten die Menschen Ehrfurcht und Ergriffenheit,
Demut vor der Schöpfung. Schon allein aus der Tatsache, daß
wir die Sonne nicht viel länger als einige Sekunden anschauen können, uns
abwenden müssen um unsere Augen zu schützen, sie also gar nicht richtig von
Angesicht zu Angesicht sehen können, läßt sich die
Ehrfurcht verstehen mit der manche Menschen die Sonne in Verbindung bringen.
Sonne ist ein Zeichen einer unendlich gewaltigen, intellektuell nicht faßbaren Kraft. Sie ist auch ein Zeichen dafür, daß es etwas gibt, das größer ist als wir, sie ist etwas,
das uns klein macht, uns zu Ameisen macht. Das Herz als Symbol zu verstehen und
in Zusammenhang mit Gefühl und Liebe zu bringen, ist meiner Meinung nach eine
eher junge Errungenschaft, eingeleitet möglicherweise durch christliches
Denken. Nach der christlichen Mythologie werden die Herzen von Jesus und Maria
durchbohrt, und allen ist klar, daß damit nicht,
nicht nur, das physische Herz gemeint sein kann. Wenn ein Jugendlicher
Herzschmerzen hat, er aber organisch gesund ist, dann können wir getrost
annehmen, daß er Liebeskummer hat.
Offensichtlich wird das Gefühl der Liebe in die
Herzgegend projiziert, in der Mitte der Brust entsteht ein neuer Schwerpunkt.
Mit diesem Schwerpunkt wird ein wichtiger Schritt in der geistigen Entwicklung
eines Menschen gemeistert. Das Herz als ein Organ des Fühlens zu erleben,
bedeutet einerseits Pathologie im medizinischen und im wörtlichen Sinne, vor
allem aber durch die völlig neue Art der Wahrnehmung das Erreichen einer
geistigen Entwicklungsstufe. Der geistige Weg definiert sich als Erkenntnisprozeß, bei dem man, Stufe um Stufe, zu einem größeren
und schließlich allumfassenden Bewußtsein gelangt. In
einem früheren Abschnitt lernt man seine Umgebung, die Außenwelt, so
hinzunehmen, wie sie ist, und nicht, wie in der Ebene zuvor, alles
kaputtzumachen und zu töten, was einem nicht zu Gesicht steht. In einem
späteren Abschnitt nimmt man die Dinge und Menschen nicht nur hin, sondern
beginnt sie in ihrer Eigenart zu akzeptieren, anzuerkennen, schließlich zu
lieben. Auf diesem Wegstück spielt also das spirituelle Herz eine entscheidende
Rolle. Wichtig ist hierbei natürlich auch, daß
genügend Kraft im Herzzentrum ist. Wie kann man das erreichen? Zuerst einmal
dadurch, daß man positive Bezugsobjekte findet, also
Menschen, die zu lieben man sich leicht tut, sie zünden das innere Feuer. Diese
positive Emotion soll dann später auf andere Menschen übertragen werden, aber
auch auf Tiere, Pflanzen, Landschaften, Gegenstände. Eine andere Möglichkeit
Licht und Wärme, symbolisiert durch die Sonne, in das Leben eines Menschen zu
bringen, ist das Wiederholen von Jappam (Worten,
Sätzen und Gebeten). Ich denke da an das tibetische " Om
mani padme hum ", das höchster Ausdruck jener Weisheit des
Herzens ist: "Gott steigt herab in die Welt, vereinigt sich mit ihr und
verwandelt das Gift des Todes in das Elexier des Lebens,
durch die Selbstaufopferung des Menschen" (Grundlagen tibetischer Mystik
von Lama Anagarika Govinda).
Im Abendland heißt dieses Mantra:
"Herzensgebet". Wichtig ist dabei aber auch, daß
dieses Beten kein monotones Daherplappern ist, sondern eng gekoppelt sein muß mit einem positiven Gefühl, nämlich der liebenden
Beziehung zu einem im virtuellen Raum befindlichen Gott, Christus oder Buddha.
Weitere Möglichkeiten die Sonne ins Herz zu bringen sind Atem- und
Erwärmungsübungen, Lichtvorstellungsübungen und positive Affirmationen.
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