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Vielfalt der Religionen -
Einheit der Spiritualität

Man könnte meinen, das „Cuius regio - eius religio “ war nie aktueller als heute. Die im Jahre 1648 mit dem Westfälischen Frieden bekräftigte Formel (wessen Reich - dessen Glaube) beendete ein Jahrhundert blutiger religiöser Auseinandersetzungen - einen europäischen Bürgerkrieg zwischen Katholiken und Protestanten. So wurde das erste „konstruierte System“ eines europäischen Gleichgewichts möglich.

Radikale Religionsregime unserer Zeit - man denke nur an die Taliban, aber ebenso an christliche, jüdische, verschiedenste muslimische und andere Fundamentalisten - geben weltweit Anlass zum Nachdenken und mahnen zur Vorsicht. Wie jegliche Art des fanatischen Dogmatismus. Welchen Ursprung hat hingegen die zutiefst menschliche Sehnsucht des Menschen nach Spiritualität? Darauf gibt es so viele Antworten, dass nicht einmal unser „Themenmonat“ ausreichen würde, um sie zu beantworten. Dennoch wollen wir uns für Sie an das hochaktuelle und vielschichtige Thema – wie immer aus mehreren Perspektiven – herantasten.

Begegnung zwischen West und Ost

Der auch im Okzident zunehmend beliebte Zen-Buddhismus etwa „…hilft dem Menschen, auf die Frage seiner Existenz eine Antwort zu finden, die im wesentlichen gleich ist wie die der jüdisch-christlichen Tradition und die dennoch keinen Widerspruch zur Rationalität, zum Realismus und zur Unabhängigkeit bildet, den kostbaren Errungenschaften des modernen Menschen." So umriß der Psychoanalytiker und Kulturphilosoph Erich Fromm vor rund 40 Jahren, was der Zen-Buddhismus für Menschen des Westens ist. Seine Formulierung findet sich in dem bis heute viel gelesenen Sammelband "Zen und Psychoanalyse", und sie hat an Aktualität nicht verloren. Rationalismus, Unabhängigkeit, Realismus, sprich Metaphysik-Kritik bzw. Kritik am Platonismus - das sind, vielleicht ein wenig unscharf, aber doch sehr eindeutig, die Konturen einer aufgeklärten Geisteshaltung, die in der säkularen Welt der Moderne einen hohen Rang einnimmt. In einer Analyse der Philosophin und ORF-Mitarbeiterin Dr. Ursula Baatz geht es um die Hintergründe der Rezeption des Zen-Buddhismus im Westen - und unter Christen…“, sie schreibt über die Begegnung zwischen West und Ost in einer säkularen Gesellschaft.

Was ist Spiritualität?

Spiritualität (v. lat.: spiritus = Geist, Hauch) bezeichnet das Bewusstsein, dass die menschliche Seele oder der menschliche Geist Ihren Ursprung einer göttlichen oder transzendenten Instanz verdankt. Sie ist die besondere, nicht notwendig im konfessionellen Sinne verstandene religiöse Lebenseinstellung eines Menschen, der sich auf das transzendente oder immanente göttliche Sein konzentriert bzw. auf das Prinzip der transzendenten, inpersonalen letzten Wahrheit oder höchsten Wirklichkeit.

In den verschiedenen Religionen gibt es unterschiedliche Bezeichnungen für diese göttliche Instanz: Gott, eine Gottheit, Tao, Brahman , Maha-Atman, Shunyata, Großer Geist, Pneuma, Prajna, Maha-Purusha, Sugmad, u.a. Einige Religionen teilen "dieses Eine" auch in verschiedene Gottheiten auf. Bei den spirituellen Selbsthilfegruppen Anonyme Alkoholiker und Narcotics Anonymous wird in diesem Zusammenhang ein individueller liebender Gott als Höhere Macht bezeichnet, um bestimmte göttliche Instanzen nicht auszuschließen.

Im Unterschied zur Religion oder Esoterik , bei der es um das Wissen, um Lehre über oder Methodik von Spiritualität geht, ist die Spiritualität selbst die tatsächlich ausgeübte Praxis, aus der heraus ein Mensch eine vertiefte Beziehung zu Gott, eine innere Erleuchtung oder eine religiös begründete Emotion erlebt. So identifizieren sich die im westlichen Kulturkreis etablierten Hauptreligionen durchaus mit ihrem eigenen spirituellen Verständnis, während sie esoterischen Methoden oder Lehren traditionell eher kritisch gegenüber stehen. Heute gibt es auch verschiedene esoterische Formen der Spiritualität, die Elemente aus verschiedenen Religionen und Weltanschauungen verbinden.

Jede Religion, im Christentum sogar jede Konfession , hat ihre eigene Ausprägung von Spiritualität. Wie die Beschreibungen oder Definitionen der göttlichen Instanz bei verschiedenen Religionen so unterschiedlich sein können, dass es sich nicht in allen Fällen um das Gleiche handeln kann, können auch die spirituellen Ausprägungen und die resultierenden Praktiken kompatibel sein oder so unterschiedlich, dass sie sich nicht gemeinsam ausüben lassen.

Für manche Menschen ist die göttliche Instanz so sehr Ursprung und Ziel des Lebens, dass die ständig vertiefte Spiritualität Lebensführung im Alltag, Verantwortlichkeit und Ethik deutlich prägt - andere suchen in der Spiritualität Erlebnisse, die sie aus dem Alltag herauslösen und mit dem Alltag in keiner Verbindung stehen müssen. Auch individuelle Spiritualität ist immer verknüpft mit Vorstellungen über Mensch, Gesellschaft und Welt und ihren Ausdeutungen. Auf dem spirituellen Weg versucht der Gläubige sein Bewusstsein zu entfalten oder seine Beziehung zu Gott zu vertiefen (also kein Eskapismus).
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Autorin: Marion Fugléwicz-Bren


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