Gleichnisse, Legenden und Märchen

 


 

Der Elefanten-Gott

In einem Wald lebt ein Heiliger, der viele Schüler hatte. Eines Tages lehrte er sie, in allen Wesen
Gott zu sehen. Ein Schüler ging in den Wald, um Holz für das Opferfeuer zu sammeln. Plötzlich
hörte er den Warnschrei: "Geht aus dem Weg, ein wild gewordener Elefant kommt angelaufen!" Alle
außer dem Schüler des Heiligen ergriffen die Flucht. Er überlegte, daß der Elefant auch Gott sei, nur
in einer anderen Form; warum sollte er davonlaufen? Er stand still und verbeugt sich vor dem Tier
und begann, sein Lob zu singen. Der Elefantentreiber auf dem Elefanten schrie: "Lauf weg! Lauf
weg!" Aber der Schüler rührte sich nicht. Der Elefant ergriff ihn mit dem Rüssel, warf ihn zur Seite
und rannte weiter. Verletzt und zerschunden lag der Schüler am Boden. Als sein Lehrer und seine
Mitschüler von dem Unglück hörten, kamen sie herbei und trugen ihn in die Einsiedelei. Durch eine
Medizin kam er wieder zu sich. Jemand fragte ihn: "Du wußtest doch, daß der Elefant kam. Warum
bist du nicht davongelaufen?" Aber unser Lehrer hat doch gesagt, daß Gott selbst alle diese Formen
der Menschen und Tiere angenommen hat. Da dachte ich, daß Gott der Elefant herankäme, und bin
nicht davon gelaufen." Darauf sagte der Lehrer: "Ja, mein Kind, es stimmt, daß Gott der Elefant
herankam, aber Gott der Elefantentreiber riet dir, nicht stehen zu bleiben. Da sie alle Manifestationen
Gottes sind, hättest du den Worten des Elefantentreibers  vertrauen sollen."
 
Aus: "Ramakrishna - Das Vermächtnis" (S. 89) O.W.Barth Verlag


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