Gleichnisse, Legenden und Märchen
Ein Becher voll Maya
Vor langer Zeit lebte in Indien ein Held. Eines Tages begegnete er Vishnu. Sie wanderten zusammen durch das Land und Vishnu fragte ihn, ob er irgendeinen Wunsch habe, den er ihm erfüllen könne.
"Lehre mich, was Maya bedeutet", bat der Mann. "OH NEIN", sagte Vishnu, "wünsche dir irgend etwas anderes, nur nicht das!"
"Aber ich möchte von dir lernen was Maya bedeutet", beharrte der Mann. "Du kannst dir alles wünschen", sagte Vishnu, "eine schöne, hingebungsvolle Frau, Paläste, Gesundheit, große Reichtümer, Gesundheit, ein langes Leben!"
"Ich möchte aber lernen, was Maya bedeutet!", antwortete der Mann beharrlich. "Nun gut", sagte Vishnu, wenn das dein Wunsch ist, werde ich ihn erfüllen. Aber hole mir bitte zuerst einen Becher voll Wasser von dem Bauernhaus da drüben, und
dann werde ich dich lehren, was Maya bedeutet."Der Mann ging zu dem Bauernhaus und klopfte höflich an die Tür. Die Tür wurde von der schönsten Frau geöffnet, die er je gesehen hat. Sie war nicht nur wunderschön, sie hatte auch tiefe, seelenvolle Augen. Er sah in diese Augen und verliebte sich. In diesem Augenblick wußte er, das sie sich von vielen früheren Leben her kannten und das sie füreinander bestimmt waren. Sie wußte es
ebenfalls. Sie bat ihn ins Haus und stellte ihn ihrer Familie vor. Die Eltern hießen ihn willkommen, als sei er ihr eigener, geliebter Sohn. Als er mit ihnen beisammen saß, fühlte er so tiefen Frieden in sich, das er wußte, hier bin ich zu Hause. Er hielt um die Hand des Mädchens an und die Eltern gaben mit Freuden ihren Segen. Bald darauf hatten das Paar Kinder. Erst ein kleines Mädchen, dann einen Jungen. Ihre Liebe zu den Kindern vertiefte die Liebe füreinander. Die Felder brachte reiche Ernte. Sie lebten glücklich und zufrieden mit den Jahreszeiten.Dann, eines Tages hörte man ein schreckliches Donnergrollen aus den Bergen. Der Himmel verdunkelte sich und die Erde bebte. Eine gewaltige Flut ergoß sich über das Tal. Der Mann ergriff seine kleine Tochter mit der einen Hand und seine Frau und den Jungen mit der anderen Hand. Sie rannten, was sie konnten.
Ihre Felder wurden zerstört. Sie liefen so schnell sie konnten, aber das Wasser um sie herum begann zu steigen und eine plötzliche Flutwelle trennte die Frau und den Jungen von dem Mann. Er schrie auf und versuchte nach ihr zugreifen, da verlor er das Mädchen an der anderen Hand. Er schrie wieder auf und das Leid zerriß ihm das Herz. Er klagte und weinte. Um ihn herum tobte der Sturm, der sein Haus, seine Liebe und sein Leben zerstört hatte. Er blickte nach unten und sah, wie seine Tränen in das schlammige, tosende Wasser fielen. Als die Tränen die Wasseroberfläche berührten, beruhigte sich das Wasser und wurde klar. Er sah auf und erkannte, daß er in einen Becher geweint hatte, der er in der Hand hielt. Er blickte in Vishnus Augen.Vishnu lächelte, "DAS IST MAYA!", sagte er.
Aus: "DAS SPIRITUELLE LESEBUCH" von M. und R. DAHLKE
zur Verfügung gestellt von M. Watzke: http://home.t-online.de/home/manfred.watzke/home.htm
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