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Rendezvous mit einem Meister:
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Erste Annäherung Das Leben selbst braucht keine Notizen.
Es spickt mit Ereignissen, die man vorschnell mit Zufall übersetzt, ohne
die Linie dahinter zu sehen. Vor Jahren hatte ich fasziniert die
Autobiographie eines Yogi gelesen, einen Klassiker über den östlichen
Zugang zu Gott. Autor ist ein gewisser Paramahamsa Yogananda, selbst ein
Meister und indirekt Vorgänger von Hariharananda. Das wiederum erfuhr ich
von einer Freundin, die mich spontan zu dessen 90er-Feier ins Haus der
Begegnung in Wien-Floridsdorf eingeladen hatte. Gut 200 seiner
österreichische Schüler, von denen die meisten weiß tragen, waren gekommen,
im lockeren Yogasitz und mit indischen Liedern auf den Lippen der Ankunft
des Meisters zu harren. Als jemand in ein Muschelhorn blies, stieg die
Spannung. Meine Neugierde auch. Dann kam er. Langes, graues Haar, dicke
Brille, wallendes Gewand. Nach einigen Songs ihm zu Ehren ergriff Paramahamsa Hariharananda persönlich das
Mikro. Satsang nennt sich die Rede eines Meisters. Er hielt sie in
Englisch. Erzählte dabei vom Weg nach innen und damit von der Reise zu
Gott. Zwischendurch machte er uns auf die Geschmeidigkeit seiner Haut
aufmerksam, die dank verjüngendem Yoga nach wie vor wie Butter sei.
Überhaupt: Immer wieder blitzte jener Schmäh durch, der all jenen eigen
ist, welche die dogmatische Ernsthaftigkeit einer auf Riten und
Glockengebimmel beschränkten Religiosität längst durchbrochen haben. Immer
wieder auch zitiert er Jesus, Buddha und andere Erleuchtungsprofis. Und
weist dabei auf die Dringlichkeit hin, das eigene Leben zu erfüllen. Nicht
das eines Meister und auch sonst kein anderes. Hier gehts, merkte ich bald,
hauptsächlich um den direkten Weg von A nach B, spirituell gesehen. Die
Frage dabei: Wie schaffe ich es, zur großen Quelle zu kommen? Laut Vortrag
nur mit Hilfe von Disziplin, Meditation - und einem waschechtem Meister. Der Meister Das Wort Guru kommt aus dem Indischen
und bedeutet einfach: Wegweiser ins Licht. Aber es ist auch ein
inflationärer Begriff. Es gibt eine Menge Jungs, die ihren Job mißbrauchen.
Die Kreditkartennummern verlangen und Ergebenheit bis zum Selbstmord. Es
gibt aber auch die anderen. Die Minderheit, Meister mit der einen,
bestimmten Message: Leute, folgt dem Ruf eures eigenen Herzens. Macht eure
Jobs auf dieser Welt, aber spürt dabei auch, daß Gott euch ziemlich gern
hat. Mit jedem Atemzug. Ungefähr das waren auch die letzten Worte, die
Hariharananda an diesem Abend sprach. Applaus, Tränen, Freude. Eine
angenehme Vibration im Raum. Um Punkt zehn war Schluß. Der Mann ist
Frühaufsteher. Arbeitet trotz seines Alters wie ein kosmisches Pferd. Seit
vier Jahren ist er jeden Sommer in Wien, seinem Lieblings-Ashram in Europa.
Ich fand meine Schuhe unter den vielen anderen, fuhr nach Hause und fühlte
mich berührt. Schon einen Tag später war das nette Gefühl wieder beim
Teufel, die Zweifel hatten das Ruder, aber der Journalist in mir die
mögliche Lösung: ein Privatdate mit ihm, um die Spannung zwischen Kopf und
Feeling zu beseitigen. Der Rest war Grundrecherche: Der Mann wurde 1907 in
der Nähe von Kalkutta geboren. Schon seit jungen Jahren Mönch, bereist er
seit 1974 die Welt, um Ashrams zu gründen und den authentischen Kriya Yoga
zu lehren. Meditationstechniken, deren Wurzeln sich in grauer Vorzeit
verlieren. Offenbarung Meine erste Frage: „Was ist Gott?" „Gott," erklärte der alte Mann mit den jungen Augen, „ist
allesdurchdringend, allwissend und allmächtig. Er ist in jedem Menschen.
Nachdem Er das gesamte Universum und den Mann und die Frau geschaffen
hatte, ist Er in seine Schöpfung eingetreten. Er verbirgt sich im gesamten
Körper aller Menschen und im gesamten Universum. Alles ist Gott. Weil Sie
vernünftige Wesen sind, sind alle Menschen für die Gottesverwirklichung
geboren. Tiere können Gott nicht verwirklichen." „Wenn
dem so ist, warum haben dann nicht alle Menschen den Wunsch Gott zu
erkennen?" „In jedem menschlichen Körper sind drei Körper:
der grobstoffliche Körper, der voll von Illusionen, Täuschungen und Fehlern
ist. Der astrale Körper, der das Wissen, das Bewußtsein, das höchste
Bewußtsein und das kosmische Bewußtsein kennzeichnet. Über diesen beiden
Körper ist der kausale Körper, unsere Weisheit, der Grund für alles, der in
der Fontanelle verbleibt. Die Weisheit kann nicht durch die fünf
Sinnesorgane realisiert werden, sie kann nur durch den Atompunkt
wahrgenommen werden, der in der Fontanelle ist. Gott atmet ein und deshalb
ist der grobstoffliche Körper lebendig. Der Atem ist unser Leben. Das Leben
ist unsere Seele, welche zwischen der Hypophyse und der Fontanelle ist. Das
ist Weisheit. Der grobstoffliche Körper ist voller Verlockungen und die
Menschen sind diesen im allgemeinen sehr angehaftet - gut. Aber wir müssen
realisieren, daß ohne den kausalen Körper, der höchste, allmächtige Vater,
der sich in der Fontanelle (Gehirn) eines jeden Menschen verbirgt, der
grobstoffliche Körper nutzlos ist. Was sind Ihre Lehren? Ich lehre, daß Arbeit Gottesdienst ist,
Kri und Ya. Jeder Mensch verrichtet in seinem Leben fünf Arten von Arbeit,
die den fünf Energiezentren in der Wirbelsäule (bekannt als Chakras im
Sanskrit) entsprechen, und diese fünf Arten der Arbeit werden durch den
Atem aktiviert. Dieser Atem wird von der Spitze im Kopf, der Fontanelle,
eingeatmet. Sie verdienen durch den Atem Geld (1. Zentrum). Durch den Atem
genießen Sie Sexualität (2. Zentrum). Ohne den Atem haben Sie keinen
Appetit (3. Zentrum). Nahrung ist Gott und die Nahrung wächst durch den
Atem Gottes, der Luft und den fünf grobstofflichen Elementen. Die Nahrung
gibt Ihnen extreme Mannigfaltigkeit und negative Qualitäten, aber wenn Sie
ihre Nahrung kontrollieren wird sie Ihnen Gottesverwirklichung geben. In
ihrem Herz-Zentrum (4. Zentrum) bringen Sie Freundlichkeit, Herzlichkeit
und Liebe sowie Zorn, Stolz und Grausamkeit zum Ausdruck. In ihrem
Hals-Zentrum (5. Zentrum) wird die Religion durch den Atem aktiviert. Was ist Religion? Das Sanskrit Wort für Religion ist
Dharma, was bedeutet: Das, was das Leben aller Menschen, Tiere, Insekten,
Pflanzen und Bäume zusammenhält, das ist der Atem. Die Kenntnis und
Kontrolle über den Atem ist Religion. Wenn ein Mensch zu dem realisierten
Meister kommt, wird er lernen, wie man den Atem kontrolliert. Atemkontrolle
ist Selbstkontrolle und Herrschaft über den Atem ist Herrschaft über das
Selbst. Der Stillstand des Atems ist der Zustand der Unsterblichkeit. Welche Art der Atemkontrolle? Es gibt 50 Arten des Atems, die den 50
Arten der Neigungen entsprechen. Unter diesen Arten sind 49 für die
materiellen Vergnügen, und der übrigbleibende eine Atemzug ist für die
Gottesverwirklichung. In der Bhagavad Gita 5:27 wird erklärt, wie jemand
einen kurzen Atemzug durch die Nase nimmt und fühlt, daß die Ausatmung
nicht mehr aus den Nasen1öchern heraustritt. In der Bibel John 3:3,5-6
sagte Jesus: Sie sind vom Fleisch geboren, und deshalb ist Ihr Verstand
immer mit dem Fleisch beschäftigt. Dies bedeutet, daß Sex in der
materiellen Welt vorherrscht. Sie müssen wiederum von oben durch Wasser und
Geist geboren werden. „Über" bedeutet: Die Großhirnrinde im
allgemeinen, die Hypophyse und vor allem die Fontanelle. Unsere gesamte
Lebensenergie ist dort versteckt. Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit in der
Fontanelle konzentrieren und einen sehr kurzen Atemzug nehmen und die
Wirbelsäule gemäß der Kriya Yoga Technik magnetisieren, dann wird Ihr Atem
sehr fein sein, und Sie werden Pulsation fühlen sowie die göttliche
Schwingung, die von der Fontanelle ausströmt und den gesamten Körper und
die gesamte Welt durchdringt. Sie werden göttliches Licht im gesamten
Körper sehen sowie die sieben göttlichen Feuer in den sieben Zentren des
Körpers. Von tief innen werden Sie den göttlichen Ton hören. Der kurze Atem
wird von dem höchsten, allmächtigen Vater eingeatmet. Sie werden wahre
Liebe für Gott erhalten. In der Welt gibt es viele Religionen und
spirituelle Wege, das ist gut. Aber alle Menschen sollten die
wissenschaftliche Kriya Yoga Technik erhalten um Ruhe zu erfahren, so daß
sie die eigene Religion wirksamer ausüben können. Warum sagen Sie das? Weil Kriya Yoga das Fundament aller
Religionen ist, die gemeinsame Straße aller Religionen. Es wird ihnen
extreme Ruhe geben und Ruhe ist Göttlichkeit. In jeder ihrer Neigungen
müssen Sie ihren Atem lieben. Der Atem ist das Prinzip des Körpers. Seien
Sie achtsam gegen zu viele Ablenkungen. Verschwenden Sie Zeit nur mit Gott,
dann wird die Zeit nicht verschwendet sein. Ihr gesamtes Leben wird Religion
werden, und Ihr gesamtes Sein wird eine lebendige, heilige Schrift sein. So, was ist Meditation? Was ist das
Gebet? Gibt es einen Unterschied zwischen diesen beiden? In den Schriften steht geschrieben:
Meditation bedeutet über den Verstand, Gedanke, weltliche und körperliche
Sinne zu gehen. Das bedeutet Sie haben nichts - kein Gefühl des Körpers
oder der Welt. Das ist Göttlichkeit. So sind Sie fähig, in der Ruhe aktiv
und in der Aktivität ruhig zu sein. Gebet bedeutet nicht, hoch von Gott zu
sprechen, aber demütig die Gegenwart Gottes zu spüren. Wenn Sie die lebende
Gegenwart Gottes durch Pulsation, Ton und Licht fühlen, beten Sie zu diesem
Zeitpunkt demütig: Oh Gott, Du bist in meinem gesamten Körpersystem. Ich
bete demütig: Gott gebe mir Göttlichkeit, bewahre meine Arme, Beine, und
beschütze meine Familie und Verwandten. Du bist der Retter. Das ist ein
wahres Gebet, und dieses Gebet wird Gott erreichen. Bis Sie nicht diese
Ebene des kosmischen Bewußtseins erreicht haben, die Tür zur Weisheit, sind
Ihre Meditation und ihr Gebet nutzlos. Und wie erreicht man diese Ebene des
kosmischen Bewußtseins? Nur durch üben, üben und üben. Der
Medizinstudent folgt dem Professor und übt weiter und weiter bis er eines
Tages selbst ein Doktor wird. Sagen Sie einfach: Du, Du, Du und wenn Sie
das nebligweiße, milchweiße Licht sehen, ist dies ihre Meditation, das ist
Ihre Göttlichkeit. Jede spirituelle Praxis ist gut, aber Kriya Yoga gibt
die Wahrheit der Befreiung. Ich fragte ihn ob es sinnvoll für Menschen im
Westen sei, sich auf einen spirituellen Weg einzulassen oder ob dies nur
auf der Bergspitze möglich sei. Er lacht. „ Der Berg," sagt er
ruhig und zeigt wieder auf die Spitze seines Kopfes, „
ist hier." Innere Stille Er selbst hätte in seinem ganzen langen
Leben weder eine Frau gehabt noch Sex oder einen Fernseher. Man könne aber
all das haben, dürfe dabei jedoch den Weg nach Hause nicht vergessen, „home
to god". Meditieren könne schließlich jeder. Mann und Frau. Moment,
hake ich nach, warum gebe es dann so gut wie keine weiblichen Meister?
Seine Antwort ist simpel: „Weil das - auch körperlich - eine unheimlich
schwere Aufgabe ist. Und weil Frauen ohnehin die Liebe auf der Welt
verteilen, von Natur aus." Ich nicke. Und merke, daß ich noch immer
versuche, Widerstand gegen ihn zu leisten. Gegen Ihn? Oder doch nur gegen
das Gefühl, das in mir entsteht? Jenes eine, bestimmte Gefühl, das so
selten ist im Leben. Verloren mit der Kindheit. Zum Greifen nah nur mehr
beim Verliebtsein: Jene Euphorie, bei der jeder Augenblick wie eine
Schatztruhe ist. Mein Blick findet wieder seine Augen. Er scheint zu
verstehen. Mich und das Drama aller Menschen, die von Logik und Denken
dominiert werden - und doch so gerne Leben spüren würden, pur und
unmittelbar. Sein Blick scheint zu sagen: „Es ist alles okay, noch
nichts verloren." „Gott", sagt er Sekunden später eindringlich,
„steht nicht in Büchern. Mann kann ihn fühlen und
sehen." Tiefes Gefühl Sein Blick konzentriert sich auf eine
Stelle zwischen meinen Augen. Er könne, höre ich seine warme Stimme, gerade
das Licht sehen, das meinen Kopf umgibt. Plötzlich scheine ich jenseits von
Zeit und Raum zu sein, habe weder Zweifel noch Sorgen. Im Gegenteil. Ich
fühle mich geborgen. Als wäre eine helle, unscheinbare Tür in mir, an der
ich tausendmal schon vorbeigelaufen bin, plötzlich einen Spalt weit offen.
Und erst am Ende dieses langen Augenblicks meldet sich mein Kopf wieder,
aber nur, um mir zu sagen: „Dieser Augenblick war wirklich, vergiß das
niemals!" Eine Viertelstunde später bin ich wieder unterwegs durch die
Straßen von Wien. Ziellos, leicht euphorisiert, wie von einer Reise
zurückgekehrt, die ganz anders war. Und da tauchte plötzlich diese eine
Frage wieder auf, die am Anfang wie Rauch war. Der Wunsch, er möge mir doch
bitte Gott erklären. Die Antwort hatte ich jetzt - ohne daß der alte Inder
ein Wort darüber verloren hatte. Es ist ein Unterschied, ob man weiß, worum
es geht. Oder spürt, wohin es geht. Aber dafür sind Wegweiser schließlich
da. Dieser
Text basiert auf einem Interview, das im September 1997 |
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