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Venkataraman - so der
eigentliche Name des Maharshi- wurde
am 30. Dezember 1879 in Tiruchuli, einem Dorf in der Nähe von Madurai,
geboren. Sein Vater hatte sich vom einfachen Dorfschreiber zum angesehenen
Rechtsbeistand emporgearbeitet. Er starb, als Venkataraman zwölf Jahre alt
war. Ein Onkel nahm ihn und den älteren Bruder in sein Haus in Madurai auf.
Dort besuchte er die amerikanische Missions-Oberschule. Er brachte den
Studien wenig Anteil nahme entgegen, doch verhalfen ihm seine Intelligenz und
sein gutes Gedächtnis dazu, den Anforderungen ohne allzugrosse Bemühungen
gerecht zu werden. Zu dieser Zeit war eine besondere spirituelle Begabung des
Brahmanenjungen noch nicht zu erkennen. Ein Ereignis jedoch kann als Vorbote
des späteren Geschehens betrachtet werden. Im Gespräch mit dem Jungen erwähnte ein Verwandter den Namen
Arunachala. Dieser Berg am Rande Tiruvannamalais und der zu seinen Füssen
gelegene grosse Tempel gehören zu den bedeutendsten Siva-Heiligtümern
Südindiens. Venkataraman hatte den Namen schon oft gehört, aber dieses Mal
schlug seine Nennung in ihm eine verwandte Saite an. Doch der Ton verklang
wieder, und der Alltag nahm seinen Fortgang. Einige Monate danach vollzog sich, ohne
dass eine bewusste Vorbereitung erfolgt wäre, die grosse Wandlung seines
Lebens. Venkataraman sass allein, gesund wie immer, über seinen
Schularbeiten. Da ergriff ihn plötzlich und eindeutig eine tiefe Todesangst.
Er fühlte, dass er nun sterben müsse. Nach innen gewandt sagte er zu sich:
"Jetzt sterbe ich also. Was bedeutet das? Was stirbt überhaupt? - Dieser
Körper stirbt." Nun ahmte er eine Sterbeszene nach. Er legte sich auf
den Boden machte sich steif wie ein Leichnam, schloss die Augen und hielt den
Atem an. "Dieser Leib ist also tot. Man wird ihn verbrennen. Aber wenn
er tot ist, bin Ich dann auch tot? Ist der Körper dieses Ich? - Nein Ich ist
etwas anderes. Ich bin losgelöst vom Körper. Also bin Ich nicht der Körper,
sondern etwas, was der Tod nicht berühren kann." All das war keine blosse Vorstellung,
kein intellektueller Vorgang; Venkataraman
machte die Erfahrung des reinen 'Ich bin', ohne zu denken und zu folgern. Nun
war ihm bewusst geworden, dass das Ich und das universale, unsterbliche
Selbst eins sind. Er hatte zur Selbst verwirklichung, zum Zustand reinen und
ununterbrochenen Seins bewusstseins (sahaja samadi), gefunden. Die Folgen dieser Wandlung machten sich
auch im äusseren Verhalten bemerkbar. Er nahm kaum noch Anteil an dem, was
sich um ihn herum abspielte. Die Arbeit ging automatisch vonstatten, und im
Umgang mit anderen entwickelte er eine vorher nicht in Erscheinung getretene
Sanftmut. Die äussere Wende trat sechs Wochen
später ein. Venkataraman war zu
Hause mit einer Schularbeit beschäftigt. Bevor er sie beendet hatte, nahm er
Meditationshaltung ein und versank in innere Betrachtung. Sein älterer
Bruder, der das beobachtete, tadelte, dass er sich wie ein Yogi benähme,
obwohl er doch in der Familie lebe und das Vorrecht geniesse, eine höhere
Schule zu besuchen. Diese Kritik hatte der Jüngere schon oft gehört, aber
diesmal fand sie Widerhall, und er fühlte, dass er fortmüsse - zum
Arunachala. Auf einem zurückgelassenen Zettel bat
Venkataraman, man solle sich keine Sorgen um ihn machen und ihm nicht
nachforschen. Mit der Bahn, und, weil er sich nicht auskannte, zum Teil auch
zu Fuss, legte er die Strecke nach Tiruvannamalai zurück. Am 1. September
1896 lag der Arunachala im Morgenlicht vor ihm. Er hatte - nun auch in der
äusseren Welt - heimgefunden. Sein erster Gang führte ihn in den
Arunachala-Tempel. Danach liess er
sich den Kopf scheren und entledigte sich der letzten Rupien, der
Brahmanenschnur und seiner Kleider, von denen er nur ein Lenden tuch behielt.
Um den Nachstellungen frecher Gassenjungen zu entge hen, zog er sich in einen
im Tempelbezirk gelegenen fensterlosen Keller zurück. Dort setzte dem ganz in
sein Selbst Versunkenen allerhand Ungeziefer aufs schwerste zu. Schliesslich
brachten zwei sadhus Venkataraman, dessen Körper vollkommen verwahrlost war,
an einen anderen Ort. Er lebte dann an verschiedenen Plätzen in der Nähe des
Tempels, später in Höhlen des Berges. Der junge Venkataraman erregte bald
Aufsehen. Zuerst waren es nur wenige sadhus und Pilger, die ihn aufsuchten,
doch bald wuchs die Zahl derer, die von der friedvollen Aura, die ihn umgab,
angezogen wurden. Viele besuchten ihn regelmässig, einige blieben für längere
Zeit oder auch für immer bei ihm. Nach und nach fand Venkataraman zu
einem äusserlich normalen Leben zurück. Die religiöse Überlieferung seines Landes war ihm bisher fast ganz
unbekannt geblieben. Als man ihm jetzt Stellen aus den heiligen Schriften
vorlegte, um sie von ihm deuten zu lassen, erkannte er, dass hier zergliedert
und beim Namen genannt wurde, was er erfahren hatte. Diese seit Jahrtausenden
verwendeten Begriffe und Bilder fanden Eingang in seinen Wortschatz. Einige
seiner Gespräche mit Wissensdurstigen wurden - zum Teil auch in westlichen
Ländern - veröffentlicht und erlangten Berühmtheit. Ein nam hafter Gelehrter,
der lange bei ihm weilte, hätte ihm mittlerweile den Namen gegeben, unter dem
er bekannt werden sollte: Bhagavan Ramana Maharshi. Im Jahre 1916 zog seine Mutter zu ihm in die höhlenartige Behausung am Berg, die er
damals bewohnte. Sie kochte fortan für ihn und die Gruppe von Schülern, die
sich um ihn geschart hatten. Doch musste sie jetzt die gewohnte Mutterrolle
aufgeben. Sie war Schülerin ihres Sohnes, der sie den harten Weg zur
spirituellen Vollkommenheit führte. In ihrer letzten Stunde hat sie diese mit
seiner Hilfe erreicht; er war während ihrer Krankheit nicht von ihrer Seite
gewichen. Der Maharshi besuchte fast täglich das
Grab seiner Mutter am Fuss des Arunachala. Mit der Zeit entstand dort ein
Ashram, der fortan seinen Namen tragen sollte. Eines der Gebäude, die man im
Laufe der nächsten Jahre errichtete, war die Halle. Hier verbrachte Bhagavan
die meiste Zeit. Vor ihm sassen die Besucher. Nicht alle stellten Fragen;
denn der Meister lehrte in hohem Masse durch Schweigen. Redete er aber, dann
war seine Sprache anschaulich und bildhaft, überdies mit Humor durchsetzt.
Wenn er lachte, wie es oft geschah, wirkte das ansteckend selbst auf jene,
die seine Sprache nicht verstanden. Der Tagesablauf im Ashram war genau
geregelt. Alles musste sauber und
wohlgeordnet sein. Nichts durfte verschwendet werden. Bha gavan befleissigte
sich einer äusserst einfachen Lebensweise und stellte keinerlei Ansprüche.
Dabei war er jederzeit für jedermann zugäng lich. Alle wurden von ihm gleich
behandelt. Auch mit Tieren aller Art war er gut Freund; er ging mit ihnen
genauso fürsorglich, gütig und liebevoll um wie mit den Menschen. Gegen Ende des Jahres 1948 trat an
Bhagavans linkem Arm eine Geschwulst auf, die sich einige Monate später als
bösartig erwies. Therapien verschiedener Art, wozu auch operative Eingriffe
gehör ten, wurden von ihm nicht gewünscht, aber den vielen um seine
Gesundheit Bangenden zuliebe doch geduldet. Auch als Schwerkran ker hielt der
Maharshi so lange wie möglich am gewohnten Tages verlauf fest. Trotz
zunehmender Schmerzen - er lehnte es ab, schmerzlindernde Mittel zu nehmen -
und offenkundigem körper lichen Verfall bestand er bis zuletzt darauf, dass
alle Besucher ihn zu sehen bekämen. Am 14. April 1950 war die Stunde
gekommen, wo er seiner sterblichen Hülle entglitt. Doch war es kein Weggehen;
denn so hatte er seinen Schülern versichert: "Man sagt, ich würde
sterben. Aber ich gehe nicht fort. Wohin sollte ich gehen? Ich bin
hier." Die Aufzeichnungen, die später als
'Gespräche mit Sri Ramana Maharshi' veröffentlicht wurden, entstanden in der Zeit von 1935 bis 1939. Sie sind
von einem alten Schüler Bhagavans entweder an Ort und Stelle gemacht oder
noch am gleichen Tag aus der Erinnerung niedergeschrieben worden. Es handelt
sich meistens um Zusammen fassungen dessen, was gesagt worden war. Ein
wörtliches Mitschrei ben war dem Chronisten, der bei den Gesprächen auch als
Dolmet scher fungierte, nicht möglich. So ist die Sprache der 'Gespräche mit
Sri Ramana Maharshi' die des Schreibers. Doch sind die gesamten
Niederschriften dem Meister vorgelegt worden; alles, was veröffentlicht
wurde, hatte seine Billigung gefunden. Aus Bhagavans Mund vernehmen wir die
uralte Botschaft Indiens hier aus eigener Erfahrung auf anschauliche Weise
den Menschen von heute übermittelt. Es handelt sich aber nicht um allgemein
erteilte Lehren. Bhagavan ging stets auf den Fragenden ein, gleichgültig, ob
es sich um ein intellektbefangenes Weltkind oder einen schon lange auf dem
Weg befindlichen Gottsucher handelte. Und doch betreffen seine Erklärungen
alle; denn auf dem spirituellen Pfad treten immer die gleichen
Schwierigkeiten auf, und sie müssen stets mit denselben Mitteln beseitigt
werden. Aus: Ramana Maharshi |
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