Der Sinn unseres Lebens
Auf der Suche nach dem Sinn unseres Lebens gehen die Yogis aller Zeiten von der Wahrheit aus, daß das allgegenwärtige Sein (SAT), von dem wir alle ein Teil sind, unendliche Liebe und Glückseligkeit (ANANDA) ist und wir dazu berufen sind, diese umfassende Liebe und Barmherzigkeit in unserem Leben zu verwirklichen. Diese spirituelle Liebe (PREMA) ist die Mitte unseres yogischen Lebens. Zeichen und Wegweiser zu dieser Liebe sind die Avatars Verkörperungen der Liebe) und Satgurus (Selbstverwirklichte Meister), die sich immer wieder in dieser Welt inkarnieren, um den notleidenden Menschen zu helfen diese umfassende Wahrheit (DHARMA) zu erkennen. Wenn ein Suchender bereit ist, diesen Weg zu gehen, dann stehen ihm die lichten Kräfte in diesem Kampf bei, damit er den Weg zum unzerstörbaren, dauerhaften Leben gehen kann
1) Die Grundhaltungen eines yogischen Lebens
Ein Yogi zu sein bedeutet, sich dieser innewohnenden Liebe bewußt zu werden, diese auch anzunehmen und im Alltag zu offenbaren. In allen Religionen und Kulturen gab und gibt es immer wieder Heilige und Yogis, die durch ihr Leben und Wirken diese Liebe weitergegeben haben: Unser verehrter Satguru Paramahansa Yogananda hat durch sein Leben ein Beispiel dieser Liebe gegeben. Ein Yogi zu sein heißt, durch Glaube (SRADDHA) und Einweihung in eine Gemeinschaft integriert zu sein; es heißt nach dem Vorbild der Satguruis in ihrer Kraft und in ihrem Geist zu leben und in einer Gemeinschaft (SANGHA) und Gesellschaft zu wirken. Ein Yogi sollte ständig in Verbindung mit dem Urgrund und der Quelle allen Lebens stehen. Gelingt ihm dies, so wird sein Leben von Liebe, Mitleid und Barmherzigkeit durchdrungen sein und auch im Gebet und in der Meditation zum Ausdruck kommen. Wir sollten in einer meditativen Haltung leben; die verschiedenen Erfahrungen, Stationen und Ereignisse des Lebens sollen Anlaß und Grund zu einer dauernden Verbindung mit der Transzendenz sein: Freude und Leid, Hoffnung und Enttäuschung, Unternehmungen und Reisen, größere Entscheidungen, Beginn oder Ende eines Lebensabschnittes, aber auch Anfang und Ende des Tages oder eine gemeinsame Mahlzeit. Die Erfahrung vieler Yogis kennt verschiedene Formen der Meditation: Die schweigende Meditation ebenso wie das Wiederholen eines Jappams (Mantra), oder das Singen von Bhajans (Lieder). Als Yogi zu leben bedeutet also, in einer liebevollen Haltung sein eigenes Ja zum Leben zu sprechen und in einer Gemeinschaft auf dem Weg zur Vollendung unterwegs zu sein.
Yogisches Leben ist geprägt vom Glauben und der Hoffnung an die göttliche L I E B E (Prema) !!!
Der GLAUBE (Shradda)
"Glaube entsteht, wenn sich die natürliche Liebe des Herzens aufs höchste entwickelt." (Sri Yukteswar) Glauben heißt, nie an dem Vorhandensein der Liebe zu zweifeln, trotz schlechter Erfahrungen immer an das Gute in der Welt zu glauben. Glauben bedeutet aber auch durch konkrete Werke der Liebe aktiv für diese yogische Grundhaltung einzutreten und sie nicht zu verschweigen. Ihre höchste Ausformung findet der Glaube dann, wenn wir bereit sind für diesen Glauben gewandelt zu werden Glauben bedeutet somit sein Leben vollständig und bedingungslos dieser spirituellen Liebe unterzuordnen und nur im Geiste der Liebe zu handeln. Dieser Glaube ist Gnade und zugleich Werk des Menschen. Wenn wir uns mit aller Kraft und Beharrlichkeit dieser Liebe zuwenden, so werden wir sie eines Tages erfahren können. Wir üben uns täglich in der Meditation und beten um eine Vertiefung des Glaubens: durch Anhören von Vorträgen, durch Lesen von spiritueller Literatur und durch Gespräche mit Schwestern und Brüdern. Durch Besinnung und Weiterbildung bemühen wir uns, daß unser Leben immer mehr vom Glauben geprägt wird.
Es ist nicht wichtig, welcher äußeren Religionsform jemand angehört, ob jemand Hindu, Buddhist, Moslem, Christ oder Jude ist. Nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft ist Garantie für Erlösung oder bestimmt den Grad der Liebesfähigkeit. Auch wenn ein Yogi keiner der anerkannten Kirchen angehört oder kein religiöses Bekenntnis hat, kann er Selbstverwirklichung erlangen. Der Maßstab innerer Reinheit allein bestimmt die Nähe einer Person zu Gott! "Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen" (Mt 5,~). Eine passive liebevolle Haltung genügt nicht um ein Yogi zu sein Allein unser aktives Verhalten Werke der Nächstenliebe zeigen wie tief ein Mensch in der Liebe verankert ist. Eine Liebe ohne Taten ist wertlos und keine echte spirituelle Liebe, sie ist nur Einbildung bzw. Illusion des Betreffenden. Jeder Mensch hat durch sein Überbewußtsein (Göttliches Selbst) Verbindung zu den Quellen des Lebens und der Freude und somit ist er berufen sein ganzes Streben und Sehnen in diese Richtung zu lenken, damit er von diesem höheren Teil seines Wesens geführt und geleitet wird. Da jedoch die Gefahr besteht, daß ein Mensch von seinem Unterbewußtsein gelenkt wird und er oft selbst nicht weiß in welche Richtung er sich bewegt, ist es notwendig einen spirituellen Lehrer (GURU) zu haben, der dem Sucher Vorbild und Wegweiser sein kann. Unter seiner Aufsicht lernt der Schüler dann zu unterscheiden, was richtig ist und dementsprechend zu handeln. Er erwirbt eine sehr wichtige Gabe: Unterscheidungskraft (VIVEKA)
Die HOFFNUNG
Der Glaube an die Liebe läßt uns in keiner Lebenslage ohne Hoffnung sein: nicht bei wichtigen Entscheidungen und bei verschiedenen Vorhaben, nicht bei Unglücksfällen und Enttäuschungen, nicht in Verfehlungen und Einsamkeit, nicht in Krankheit und Tod. Das göttliche Selbst wirkt schon jetzt in unserem Leben, es lenkt und leitet es. Deshalb soll man sich durch niemanden die Freude rauben lassen, die in der Hoffnung gründet. In dieser Hoffnung muß man sich einüben: durch Geduld mit sich selbst und den Mitmenschen, durch Nüchternheit und Wachsamkeit, durch Treue und Aushalten von Schwierigkeiten. Die Hoffnung gibt aber auch Mut, sich für die Überwindung schlechter Lebensbedingungen und Zustände einzusetzen.
Die LIEBE (PREMA)
Wir erkennen im höchsten, allgegenwärtigen göttlichen Sein den liebenden Schöpfer aller Menschen. Als Yogis erwidern wir diese Liebe und nehmen zugleich alle Mitmenschen als unsere Brüder und Schwestern an. Wir haben vor jedem Menschen Ehrfurcht, gleich, welcher Rasse, Sprache, welchem Volk oder welcher Religion und Gesellschaftsschicht er angehört. Ein Yogi wird sogar für jene eintreten, die sich an ihm oder anderen verfehlt haben. Yogis sollten in Frieden miteinander leben und den Haß durch die Liebe überwinden lernen.
JA ZUM LEBEN
Glaube und Hoffnung an die Liebe sind unser Ja zum Leben. Sie befähigen und ermutigen uns, das eigene Leben und das Leben in Gemeinschaft sinnvoll zu gestalten und an der Evolution der Menschheit und an der Entwicklung einer menschenwürdigen Umwelt mitzuwirken.
DAS EIGENE LEBEN SINNVOLL GESTALTEN
Da wir im innersten Wesen unendliche Liebe und Glückseligkeit sind, müssen wir lernen uns selbst und das eigene Leben zu lieben Ein Yogi soll seine Anlagen entdecken und entfalten und aus seinem Leben etwas machen. Ein Yogi wird noch in Krankheit, Behinderung, Armut und anderen Belastungen den Wert des eigenen Lebens erkennen. In jedem Abschnitt und jeder Lage hat der Mensch auf je verschiedene Weise die Aufgabe zur Gestaltung und Bewältigung seines Lebens: Aus Liebe zu sich selbst und zu seinem Leben, aber auch aus Verantwortung seinen Mitmenschen gegenüber kümmert sich ein Yogi um die Erhaltung und Förderung seiner GESUNDHEIT. Er/Sie wird bisweilen den Lebensrhythmus überprüfen und überlegen, wieviel Arbeit und Leistung erbracht werden kann, wieviel Erholung, Freizeit und Entspannung er braucht. Er wird versuchen, sich die LEBENSFREUDE zu erhalten und sich von den Widrigkeiten des Lebens die Heiterkeit des Herzens nicht rauben zu lassen. Die Freude an Essen und Trinken wird ihn nicht dazu verfahren, unmäßig zu sein. Er wird seine schöpferischen Fähigkeiten verwirklichen und sich z.B. gern der Musik widmen; er wird die kulturellen Angebote nützen und aus der Fülle des Angebotenen sorgfältig auswählen. Er wird die Natur als Schöpfung der Liebe achten, sie pflegen und sie zu seiner Erholung nutzen. Jeder Mensch braucht für sich und seine Angehörigen auch MATERIELLE GÜTER. Er soll aber weder geizig noch verschwenderisch sein und nach seinen Möglichkeiten auch mit anderen teilen. Ein einfaches und bescheidenes Leben bringt innere Freiheit und Lebensfreude. Zudem ist zu bedenken, daß nicht nur in den Entwicklungsländern Millionen Menschen hungern müssen, sondern daß es auch in unserer Wohlstandsgesellschaft viele gibt, die kaum das Notwendigste haben (manche ältere Menschen, kinderreiche Familien, Arbeitslose). Jeder soll seinen finanziellen Verpflichtungen seinen Mitmenschen und dem Staat gegenüber nachkommen. Darüber hinaus möge er nach seinen Möglichkeiten jene Aktionen unterstützen, die beitragen, Not zu lindern sowie die Entwicklung der Welt zu fördern.
EINE MENSCHENWÜRDIGE WELT MITGESTALTEN
Alle Menschen sind dazu berufen, das Werk der Schöpfung weiterzuführen und die Entwicklung der menschlichen Gemeinschaft mitzugestalten. Dies geht nur mühsam und schrittweise, mit Rückschlägen und über viele Irrwege und Umwege. Der Glaube verbietet uns aber Gleichgültigkeit und Resignation, Flucht aus der Wirklichkeit und unkritische Anpassung an modische Ideen. Der gewissenhafte und verantwortliche Umgang mit der Welt und Umwelt ist für einen Yogi nicht nur eine Frage der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, der Ökonomie und Ökologie, sondern vor allem durch die Liebe zur gesamten Schöpfung bedingt: "Die in Seufzen und Wehen liegende Schöpfung soll von aller Unwissenheit und Dunkelheit befreit werden". Sehnsucht nach Frieden durchzieht die Geschichte der Völker. Mit dem Wachsen der negativen, dunklen Kräfte hat auch diese Sehnsucht nach Frieden zugenommen. Der Friede beginnt aber im eigenen Haus, ja im eigenen Herzen: Wir müssen lernen, in uns selbst friedfertig zu werden, wir müssen uns aber auch mit aller Kraft in den Bereichen für den Frieden einsetzen, auf die wir Einfluß haben: für die Wahrung der Menschen und Bürgerrechte in allen Ländern, für den Abbau von rassistischen und nationalistischen, sozialen und religiösen Vorurteilen. ARBEIT ist eine Form der Selbstverwirklichung des Menschen und Mitwirkung in der Evolution der Schöpfung. Im Mittelpunkt von Arbeitswelt und Wirtschaft steht der Mensch. Jede sinnvolle Arbeit hat ihren Wert und ihre Würde, ob sie im Beruf oder woanders geleistet wird. Arbeit ist freilich häufig auch mit Mühe und Anstrengung, Spannungen und Konflikten verbunden. Der Mensch braucht aber auch MUSSE als Zustimmung zur Welt im ganzen. Sie findet ihre besondere Verwirklichung im Spiel, in Feier und Fest, in Stille und Besinnlichkeit. Neben der Entspannung und Erholung wird dadurch dem Menschen auch das Woher und Wozu des Lebens bewußt, die Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht und die Freude am Leben gestärkt.
LEBEN IN GEMEINSCHAFT (SANGHA)
Von Anfang an haben Yogis in Ashramas gelebt, um in Gemeinschaft mit einem Guru und Satguru das Dharma zu leben und den Menschen zu dienen (SEVA). So soll auch heute jeder Yogi mit einem Ashram verbunden sein. Dazu gehören im besonderen:
EIN TAG DER BESINNUNG UND EINKEHR
Einmal in der Woche sollte jeder Yogi in Gemeinschaft mit anderen zusammenkommen um zu meditieren. Durch die gemeinsame Stunde der Besinnung, in der Vorträge gehalten werden können, Bhajans gesungen werden, Mantras rezitiert und Gebete gesprochen werden, stützen sich die Yogis gegenseitig, bekommen Impulse für weitere Bemühungen auf dem geistigen Weg und bringen so ihre Liebe und Dankbarkeit ihrem Schöpfer gegenüber zum Ausdruck. Da immer die Gefahr besteht, daß die Kraft und Freude mit der Zeit erlahmt und nur ein passive Teilnahme an den gemeinsamen Stunden erfolgt, sollten sich möglichst viele Yogis aktiv an der Vorbereitung und Gestaltung der gemeinsamen Stunde beteiligen. Über die Mitfeier der Stunde hinaus sollten die Yogis einen Tag als Feiertag halten und gestalten; die Dankbarkeit und Lebensfreude, die dadurch zum Ausdruck kommen, werden auch andere stärken. Dieser Tag ist in besonderer Weise den schönen Dingen des Lebens gewidmet; er dient der Erholung, vor allem aber für Muße, Fest und Feier. Er bietet eine besondere Gelegenheit, die Freundschaft zu pflegen, aber auch kranke und einsame sowie alte Menschen zu besuchen. Ein Yogi sollte sich an diesem Tag soweit wie möglich jener Tätigkeiten enthalten, die ihn an diesen Dingen hindern.
EINWEIHUNG INS MANDALA
Der yogische Weg beginnt mit der Einweihung. Durch sie werden wir Mitglied eines bestimmten Ashrams und in besonderer Weise Kinder der Transzendenz. Diese Einweihung erfolgt erst nach langer Zeit der Bewährung und Prüfung und bringt zum Ausdruck, daß wir ab nun nicht mehr alleine durchs Leben gehen müssen, sondern in einer Gemeinschaft leben, in der wir füreinander Bruder und Schwester sind. Jeder neue Eingeweihte bekommt einen Namen, der die Neugeburt eines spirituellen Menschen symbolisieren soll. Durch diesen Namen wird die Zugehörigkeit zum Kreis aller Eingeweihten vergangener und zukünftiger Zeiten zum Ausdruck gebracht. Mit der Einweihung erwirbt jeder MandalaChela das Recht auf Unterweisung und Führung durch den Guru, auf Teilnahme an den Stunden, auf yogische Erziehung und Bildung. Sie sollten Gemeinschaft mit dem Ashram (ARUNA SANGHA = Gemeinschaft der aufgehenden Sonne) pflegen, vertiefen und zu bewahren suchen. Einmal im Jahr darf jeder MandalaChela dem Guru ein kleines Geschenk überreichen als Zeichen seiner Dankbarkeit für die Liebe, die er empfangen durfte. Dieses Geschenk (GANAPI) soll auch dazu dienen, die Opferbereitschaft im Chela zu wecken, falls sie noch nicht ausgereift sein sollte. Bei der Einweihung gelobt der Chela dem Satguru (Gott) die Treue für die gesamte Inkarnation und verspricht, in Leid und Freud den geistigen Weg nicht mehr verlassen zu wollen. Daraufhin wird dem Chela die Augenbinde abgenommen und in das Mandala der brennenden Kerzen geführt, wo ihm zum Zeichen der Einweihung die Hände auf den Kopf gelegt und er gesegnet wird.
EINWEIHUNG ZUM YOGI
Die Weihe zum Yogi ist ein neuer Abschnitt im Leben des Chelas. Sie ist eine bewußte und ausdrückliche Zustimmung zur ersten Einweihung und symbolisiert die Vollendung der Entwicklung des Chelas. Erst jetzt ist er zur Mitverantwortung im Ashram berufen und bereit die empfangene Liebe anderen Menschen weiterzugeben. Durch sein Leben soll er Vorbild und Halt für all jene sein, die noch nicht gefestigt oder stark genug sind, anderen zu dienen und ihnen zu helfen.
SAMADHI (Erleuchtung)
Die Vereinigung mit Prema, der spirituellen Liebe, ist die Sehnsucht und das Ziel aller Yogis. Sobald alle Voraussetzungen gegeben sind und der Yogi eine bestimmte Stufe erreicht hat, erfährt er das göttliche Licht (das OM, den Pranava Shabda, den hl. Geist) in seinen Körper eintreten. Die Intensität dieser Erfahrung kann dabei unterschiedlich sein. Es ist wichtig zu wissen, daß es verschieden Stufen von Samadhi gibt, von denen der höchste der NirvikalpaSamadhi ist. Durch das Eintreten von Licht in den Körper des Yogis wird dieser durchlichtet und geläutert. Gleichzeitig wird die Kundalini aktiviert und steigt die Shushumna empor. Das eigene Prana (feinstoffliche Energie) vereinigt sich mit dem kosmischen Prana (OM= Licht) und versetzt den Meditierenden in einen Zustand der All-Liebe und Glückseligkeit. Durch diese sich wiederholende Erfahrung von Samadhi werden die dunklen Farben der Aura aufgehellt und der alte Mensch mit seinen Schwächen und Ängsten hört auf weiter zu existieren. Das bedeutet daß der alte Mensch sterben muß, damit das höhere Selbst (Gott) im Yogi auferstehen kann. Die Erfahrung von Samadhi hilft dem Yogi auch in schweren Zeiten den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.
UMKEHR
Der Zeitpunkt der bewußten Entscheidung ein spirituelles Leben zu fahren, wird Umkehr genannt. Durch diese Entscheidung wird dem Yogi, der seine Verfehlungen bereut und aufrichtig bekennt, durch die Liebe selbst die Vergebung geschenkt; er wird mit sich selbst und den Mitmenschen versöhnt. Jeder Yogi soll sich regelmäßig prüfen, ob er in einer wichtigen Sache, bewußt und freiwillig gegen die Liebe und gegen die Gemeinschaft, gegen seine Mitmenschen oder sich selbst gefehlt hat. Wer sich in diesem Sinne einer schweren Verfehlung bewußt ist, soll sich diese eingestehen und von seinem weiteren Tun ablassen. Er ist verpflichtet, allen angerichteten Schaden nach besten Kräften gutzumachen. Um sich dieser Fehlhaltungen bewußt zu werden, ist es notwendig, aufmerksam und forschend durchs Leben zu gehen. Die Übung der Achtsamkeit (SATTI PATTANA), hilft dem Yogi seine Bewußtheit zu steigern und Charakterfehler, Schwächen und Ängste zu erkennen. Sie fördert die Selbsterkenntnis und trägt zur inneren Reifung bei.
BRUDER - SWAMI - GURU
Der Dienst in der Gemeinschaft ist die wichtigste Aufgabe eines Yogis. Erst wenn er bereit ist, seinen Weggefährten im Alltag bei zustehen und ihnen zu helfen, ist er ein wahrer Bruder (Schwester Es muß ein ernstes Anliegen jeder Gemeinschaft sein, in jungen Menschen den Wunsch und die Bereitschaft zum Dienen zu wecken. Wer in sich bereits die beiden gegensätzlichen Pole (männlichweiblich) vereinigt hat und einen äußeren Partner nicht braucht, ist berufen als Swami (Nonne) zu leben und zugleich mit einem Leben in Armut und Gehorsam seine Liebe zu bezeugen. Was sie vorleben, dient allen Yogis zur Ausrichtung ihres Lebens, als Ziel. Der Guru ist der spirituelle Führer und Leiter eines Ashrams, er muß jedoch nicht identisch sein mit dem Satguru, der über die Gemeinschaft wacht und sie beschützt. Er verdient als Stellvertreter des Satguru allen Respekt, Ehrfurcht und Liebe der Yogis. Auch ein Guru ist, obwohl er eine hohe Stufe erreicht hat, nur ein Mensch mit Fehlern und Schwächen. Verläßt ein Yogi den Ashram und fehlt gegen die Treue und Liebe zum Guru, so ist das gleichbedeutend mit einem Verlassen des Satguru und der Gemeinschaft (SANGHA), in die er aufgenommen wurde. Nur der Guru selber kann Einweihungen geben und den Chela ins Mandala aufnehmen. Findet eine Einweihung (SHAKTI PAT) statt, so schenkt der Satguru durch den Guru dem Chela einen Teil von sich selbst und hebt ihn zu sich empor. Der Yogi erfährt diese Einweihung als Erweiterung seines Bewußtseins und seiner Erlebnisfähigkeit.
LEBEN ALS FRAU UND MANN (EHE)
Das universale Bewußtsein, das allumfassende Liebe ist, hat den Menschen als Mann und Frau geschaffen, um in dieser Welt leben zu können, Erfahrungen zu sammeln, und zum Bewußtsein seiner selbst zu gelangen. Das FrauSein und das MannSein bestimmen den ganzen Menschen, beeinflussen seine Gefühle und Stimmungen, sein Denken, Wollen und Handeln. Geschlechtlichkeit und Sexualität verweisen auf den Mitmenschen; sie bringen die Beziehung von Person zu Person zum Ausdruck; sie verlangen eine menschenwürdige Gestaltung gemäß dem Stand, in dem einer lebt: als Jugendlicher, ledig, verheiratet, geschieden oder verwitwet. Aber auch als Mönch (SWAMI) oder Nonne, die bereits in sich beide Polaritäten vereinigt haben und daher eines äußeren Partners nicht mehr bedürfen. SEXUALITÄT soll immer auch Ausdruck einer persönlichen Beziehung sein, die wachsen und reifen muß. Sie darf nicht von der Liebe getrennt werden; sie bedarf der Zärtlichkeit sowie gegenseitiger Achtung und Rücksichtnahme. Die volle geschlechtliche Vereinigung, die einzig und allein nur dann erfolgen sollte, wenn sie von einer spirituellen Liebe zum anderen getragen wird, bedarf besonderer Verantwortung. Gemeinsam haben Mann und Frau in reiflicher Überlegung zu entscheiden, wann ein Kind gezeugt werden darf; die Partner sollen grundsätzlich bereit sein, Kinder anzunehmen und ihnen die notwendige Sorge und Zuwendung zu schenken. Werdendes Leben muß jedem Menschen, erst recht einem Yogi heilig und unverletzbar sein.
PARTNERSCHAFT IN EHE UND FAMILIE
Wenn die Liebe zweier Menschen eine entsprechende Tragfähigkeit erreicht hat, ist die entscheidende Voraussetzung für die Ehe gegeben. Durch ein Versprechen verbürgen die beiden Partner ihren Entschluß, zu dieser Liebes und Lebensgemeinschaft durch das Jawort für ihr ganzes Leben. Die eheliche Liebe gründet darin und verlangt, daß Mann und Frau Achtung vor der persönlichen Würde ihres Ehepartners haben und um das gegenseitige Wohl besorgt sind Von dieser ehelichen Partnerschaft muß der Alltag geprägt sein: Beide Partner teilen die Sorge um den Lebensunterhalt, den Haushalt, beide tragen gemeinsam die Verantwortung für die Erziehung der Kinder. Nur auf dem Hintergrund solcher Partnerschaft bleibt auch die eheliche Hingabe auf Dauer jenes wirksame Zeichen, in dem sich die eheliche Liebe ausspricht und das beide Partner beglückt. Die FAMILIE ist der ursprüngliche Ort, wo der einzelne seine Menschenwürde erfahren und wo er in seiner Beziehung zu den Mitmenschen und in der Liebe wachsen und reifen kann. In der Familie kann und soll jedes einzelne Mitglied Anerkennung und Wertschätzung, Geborgenheit und Heimat, aber auch die Möglichkeit schöpferischer Gestaltung des Lebens finden. In dieser Welt wird es allerdings nicht gelingen, daß Ehe und Familie ohne Konflikte sind; gerade eine partnerschaftliche Einstellung bietet aber Möglichkeiten, in einem offenen Gespräch Konflikte menschenwürdig auszutragen. Das Leben in der Familie bietet viele Anlässe, gemeinsam zu üben und zu meditieren sowie familiäre Feste zu feiern. Einer soll dem anderen ein Vorbild und Beispiel eines yogischen Lebens geben und auch zum spirituellen Gespräch in der Familie beitragen. Die Familie ist ein Ashram im kleinen, sie ist Schule und Keimzelle, in der die Lektionen der Liebe erlernt werden sollten. Ziel einer yogischen ERZIEHUNG ist der Mensch, der sich ohne Schuldgefühle so annimmt, wie er ist und der frei und bereit ist für die Hinwendung zur Liebe, zum Nächsten, zur Gemeinschaft und für die Gestaltung einer menschenwürdigen Welt. Dazu bedarf es auch der Einführung in die lebendigen Werte der Kultur und des yogischen Lebens sowie der Förderung der schöpferischen Kräfte des einzelnen und der Gesellschaft. Um unsere Begabungen und Fähigkeiten entwickeln und unseren Aufgaben gerecht werden zu können, brauchen wir Wissen über uns selbst, über unsere Mitmenschen, über die Welt als Schöpfung und Lila Gottes. Wir brauchen einander, um die uns innewohnenden Fähigkeiten zu entdecken, zu entfalten und sinnvoll einzusetzen. Kein Mensch muß seinen Weg allein finden; wir alle sind ein Leben lang aufeinander angewiesen und können uns gegenseitig bereichern.
IM ASHRAM MITLEBEN UND MITARBEITEN
Jeder Yogi ist durch die Einweihung beauftragt, an den Aufgaben des Ashrams nach seinen Möglichkeiten mitzuarbeiten. Je mehr man im Ashram mitlebt und mitarbeitet, desto mehr empfängt er von den anderen. Jeder soll sich prüfen, wie er seinem Ashram und allen anderen Mitmenschen am besten dienen kann. Vor allem soll jeder Yogi dabei mitwirken, den Yoga durch sein eigenes Lebenszeugnis weiterzugeben und die Freude und den Frieden in der Welt zu vermehren.
© Urheberrecht und copyright by Sundara, Wien, 1988
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