Reinkarnation im Judentum
Es mag manche überraschen, aber es gibt in der Tat authentische jüdische Lehre zur Reinkarnation -- alle Chassidim glauben daran.
Die Wiederverkörperung (Gilgul) ist im religiösen Judentum weitgehend anerkannt. Für die chassidischen Juden ist der Glaube an Reinkarnation ein zentrales Element ihres religiösen Selbstverständnisses. Sie bildeten vor dem Holocaust die Mehrheit des europäischen Judentums und sind auch heute einer der grössten jüdischen Gruppierungen. Dass die Opfer des Holocaust wiedergeboren werden, ist für sie eine Selbstverständlichkeit (vgl. Rabbi Yonassan Gershom: «Kehren die Opfer des Holocaust wieder?»). Meine Grosseltern sind in Auschwitz ermordet worden. Dass sie ein neues Leben haben können, bedeutet für mich Genugtuung und Trost. Der Gedanke, dass auch Anne Frank sich wiederverkörpern wird, ist für einen religiösen Juden kein Problem. ...
Es sind vor allem nichtreligiöse Juden, die den Gedanken von Reinkarnation ablehnen. Dazu gehören z.B. die Mitglieder der «Aktion Kinder des Holocaust». Sie haben vom Judentum offensichtlich keine Ahnung und sind in keiner Weise repräsentativ. Der übertriebene Aktivismus und die unwürdige Vereinnahmung des Holocaust durch diese Gruppe löst in jüdischen Kreisen allgemein Missfallen aus. Ihre Mitglieder glauben offenbar, dass die Opfer des Holocaust ewig tot und die Täter ewig schuldig sind.
Aus den Quellen des Judentums erfahren wir ganz anderes. Diejenigen, die gelitten haben, werden andere, bessere Leben haben, und die Verbrecher können zum Guten umkehren - wenn nicht in diesem Leben, dann in einem anderen. Dem reuigen Sünder wird verziehen werden, wobei die Art des Ausgleichs für seine Taten im Himmel bestimmt wird. Dieses Ausgleichssystem entspricht dem, was man in der indischen Tradition «Karma» nennt. Karma ist kein «Straf»-Gesetz, sondern ein Weg des Lernens, so wie auch die jüdische Religion als solche nicht als Gesetz, sondern als Weg (Halacha) und als Lehre (Thora) verstanden wird. Der Mensch muss über viele Inkarnationen hinweg lernen, das Gute selber zu wollen. Im Paradies war er auch gut, aber er «wollte» das Gute nicht. Er war unbewusst gut. Wer sich nie schuldig gemacht hat, wird nie die Scham empfinden, die ihn dazu bringt, inskünftig Gutes zu tun. Durch eigenes Leid stärken wir unser Mitgefühl. Aus Jesaja 53 lernen wir, dass Menschen auch Leiden auf sich nehmen können, um die karmischen Lasten anderer mitzutragen.
Alles hat einen Sinn: das Schuldigwerden wie das Leid. Wer das nicht glaubt, muss sich fragen, ob er nicht an Gott zweifelt, denn dieser hat beide Möglichkeiten geschaffen. Und welcher gläubige Mensch will behaupten, dass Gott Sinnloses schafft? Wenn wir genug Liebe und Mitgefühl gelernt haben, werden wir der Auferstehung würdig sein. Reinkarnation und Karma sind Ausdruck der göttlichen Gnade. Die jüdische Religion lehrt uns, dass es eine göttliche Gnade, ein Verzeihen und eine Auferstehung von den Toten gibt. Sie ist eine Botschaft der Hoffnung und der Freude.
David Schweizer, Präsident der Zionistischen Vereinigung Basel
http://www.hagalil.com/judentum/breslov.htm
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DER BUND", Artikel (Vorgeschichte) - 29. Mai 1998
Umstrittene Fragen der Reinkarnation
Anne Frank - Podiumsgespräch mit der schwedischen Schriftstellerin Barbro Karlén im Zürcher Volkshaus
saz. In seriösen Medien als Thema sonst kaum wahrgenommen, sorgte die vom Journalisten und Therapeuten Ronald Goldberger geleitete Fachdiskussion um Fragen der Reinkarnation mit verschiedenen Experten sowie der schwedischen Schriftstellerin Barbro Karlén, die sich als Wiedergeburt von Anne Frank ausgibt, besonders im Vorfeld der Gespräche in Basel und Zürich für einigen Aufruhr.
Die 1954 in Göteborg geborene Schriftstellerin Barbro Karlén behauptet seit frühester Kindheit, sich an ihr vorheriges Leben als Anne Frank erinnern zu können - jenes jüdische Mädchen, das während der deutschen Besatzung Hollands ihr Untertauchen in einem Versteck in Amsterdam in ihrem wohlbekannten «Tagebuch der Anne Frank» beschrieben hat und kurz vor Kriegsende im Konzentrationslager Bergen-Belsen ums Leben kam. Gegen den Auftritt der Schwedin wandten sich im Vorfeld besonders Gruppierungen wie die Aktion Kinder des Holocaust oder Antifaschistische Aktion, welche die Veranstaltungen als antisemitisch verharmlosende «Vereinnahmung des Holocaust» zu verhindern suchten.
Gleichwohl scheute sich in Zürich ein antifaschistischer Aktivist nicht davor, im Gerangel vor dem Einlass gegen einen jüdischen Referenten handgreiflich vorzugehen.
Die Empörung
Barbro Karlén hat sich schon früh als literarisches Wunderkind hervorgetan und sich dann für lange Zeit in ein bürgerliches Leben bei der berittenen Polizei zurückgezogen. Dies nicht zuletzt, um ihre panische Angst vor Uniformen zu überwinden. Schliesslich hat sie nach vielen Jahren des Schweigens das durch neue, bedrängende Erkenntnisse entstandene Buch «... und die Wölfe heulten. Fragmente eines Lebens» (Perseus Verlag Basel, 1997) geschrieben.
Die vorweggenommene Empörung beruht vor allem auf einem grossen Missverständnis: Es geht der Autorin nicht darum, sich mit den fremden Federn Anne Franks zu schmücken oder mit ihren Hinweisen auf die letztliche Unzerstörbarkeit der Seele des Menschen die Verbrechen des Holocaust zu «verharmlosen», wie ihr oft vorgeworfen wird, sondern um ihre Botschaft an die Menschen, dass ihnen vieles leichter fallen würde, wenn sie bereit wären, sich dem - für Karlén persönlich völlig selbstverständlichen - Bewusstsein des Phänomens der Reinkarnation zu öffenen.
Botschaft der Toleranz
Denn durch die Erkenntnisse der Zusammenhänge mit nicht restlos verarbeiteten Problemen in früheren Leben könnten jetzige Konflikte besser erkannt und bewältigt werden, erklärte sie, und weil die Reinkarnation die Menschen im Laufe ihrer verschiedenen Leben auch durch verschiedene Rassen, Völker und Religionen führe, sei sie zutiefst überzeugt, dass sie daraus lernen könnten, toleranter zu werden, mehr Verständnis füreinander aufzubringen und alle anderen Menschen als unmittelbare Geschwister zu erkennen, zu achten und zu lieben.