Aus dem Leben von Paramahansa Yogananda


 

Die Finanzen der Gemeinschaft

Eine lebenswichtige Frage für die idealistische Gemeinschaft ist die der Verteilung der Güter. Der klassische Plan aus den Tagen der Urchristen war, dass die Mitglieder alles gemeinsam besitzen. Bei diesem System profitiert der einzelne von allem, was die Gemeinschaft ihm gibt, aber er soll es nicht als persönliches Eigentum ansehen. (In Klöstern war es Brauch, selbst ganz persönliche Gegenstände wie Sandalen als „unsere Sandalen" zu bezeichnen.) Für seine Arbeit erhält er alles kostenlos.

In einer Mönchsgemeinschaft ist dieses System vielleicht gut und richtig. Freiheit von Bindungen an Geld und Besitz ist schließlich wünschenswert für einen Menschen, dessen Leben dem spirituellen Streben gewidmet ist. Doch für Familien ist dieses System meiner Meinung nach unnötig streng und abseits vom üblichen Bewusstsein unserer Zeit. Es ist ausserdem ein echtes Hindernis für die Entwicklung der Wirtschaft in der Gemeinschaft. Selbst in Klöstern ist dies nicht gerade förderlich für Initiative, schafft vielmehr Abhängigkeit - eine fragwürdige Errungenschaft auch bei religiöser Berufung.

Das grosse Problem bei totalem Gemeinschaftsbesitz ist der erhöhte Bedarf an Gemeinschaftsdisziplin. Wer alles

bekommt, ohne zu bezahlen, muss irgendwie dazu gebracht werden, für das Erhaltene zu arbeiten. Wenn die Gemeinschaft überhaupt produktiv sein will, ist die einzige Lösung ohne das Motiv des persönlichen Profits die Betonung des „Gruppengeistes" oder der Schönheit heiligen Gehorsams. Zu oft wird der gute Wille des Ansiedlers ausgenutzt. Er kommt für ein Leben des Friedens, und im Namen des Gruppengeistes findet er sich in alle Arten ruhmreicher Projekte verwickelt: den Bau einer neuen Bücherei, eines Krankenhauses, eines Erholungszentrums. Und es sollen nicht irgendwelche Bauwerke sein, sondern die besten, die man sich vorstellen kann, um des guten Namens der Gemeinschaft willen. Eine mir bekannte Gemeinschaft in Indien hat, erfüllt von diesem edlen Motiv, Jahrzehnte dem Bau eines Tempels gewidmet, der - so der Traum - schöner werden sollte als das Taj Mahal. Aber wozu?

Wären die Menschen alle hochgradig spirituell, so brauchte man sie weder zur Arbeit antreiben, noch bestände die Gefahr, dass ehrgeizige Führer sie zur Überarbeitung zwängen. Einige religiöse Schriften sagen sogar, dass die Menschen ohne jede Arbeit am Leben blieben, wenn sie alle wirklich spirituell wären. Ob dies jemals geschehen wird, sei dahingestellt. Klar ist, dass wir heute nicht in einem solch spirituellen Zeitalter leben.

Es überrascht nicht, dass in Russland, wo nur drei Prozent des genutzten Landes in Privatbesitz (Stand 1991) ist, es dieser winzige Anteil ist, der die Hälfte des Fleisches, der Milch und des Blattgemüses der ganzen Nation liefert.

Die frühen amerikanischen Kolonisten machten eine ähnliche Erfahrung. Die meisten Menschen brauchen das Gefühl, für sich selbst zu arbeiten. In Wirklichkeit würden sie in einer völlig kommunistischen Gesellschaft vielleicht ebenso für das eigene Wohl arbeiten, doch haben sie selten den Weitblick, diese Tatsache zu erkennen.

Es muss hinzugefügt werden, dass die Vorstellung der Führer des Kommunismus auch nicht klarer ist. Diese Leute neigen meist dazu, den Beitrag des Arbeiters für selbstverständlich zu halten. Zugleich bleibt es ihnen aber schmerzhaft bewusst, dass sie neben der Plage, seine Arbeit zu beaufsichtigen, auch noch Nahrung, Wohnung, Kleidung und Zerstreuung bieten müssen. Kein Wunder, dass ihre Zuwendungen an den Arbeiter meist dürftig sind. Kein Wunder, dass man ihm mit harter Disziplin begegnet und ihm sagt, er müsse immer gehorchen und dürfe nie an sich und seine persönlichen Bedürfnisse denken.

Und falls aus einer kleinen idealistischen Gemeinschaft je ein Mitglied fortgeht, wie wird es entschädigt? Man wird ihm wohl sagen, dass seine Aufnahme eine Gunst gewesen sei und dass die Gemeinschaft ihm nichts schulde ausser vielleicht einem Tadel wegen seiner Undankbarkeit. Anschließend gibt man ihm vielleicht ein Almosen aus „Nächstenliebe".

So kommt es - welche Schande-,daß mancher Mönch, manche Nonne und manches Mitglied von Gemeinschaften mit totalem Gemeinbesitz in der Gemeinschaft blieb - nicht wegen hoher Ideale, sondern aus purer wirtschaftlicher Notwendigkeit. Sie verlebten ihr Alter in Enttäuschung und vergifteten andere mit ihren Temperamentsausbrüchen und eifersüchtigem Stolz auf ihr hohes Dienstalter. Die Situation ist vergleichbar mit der in Bei geschlossenen Türen,

jenem gänzlich niederschmetternden Stück von Jean-Paul Sartre, mit seiner hoffnungslosen Botschaft „die Hölle - das sind die anderen Menschen".

Nein, der gesündeste Weg wäre anscheinend das System, das die Leute sowieso gewöhnt sind: Lass sie für Lohn arbeiten und bezahlen für das, was sie bekommen. Lass sie für die Zukunft sparen, was sie wollen. „Die beste Führung", so Thoreau, „ist jene, die am wenigsten herumdirigiert." Das einfachste Management ist, dass man die Leute einfach anregt, sich selbst zu managen. In Ananda haben wir immer versucht, den Entscheidungsfindungsprozeß bei der Basis zu behalten. Wenn die Menschen für ihren Bedarf selbst sorgen müssen, werden sie sich schon rühren und etwas produzieren.

In der vorgeschlagenen Methode liegt ein weiterer Vorteil: In der üblichen kommunistischen Gesellschaft und in der üblichen gleichgeschalteten Gesellschaft besteht, wie wir gesehen haben, die Neigung, Menschen zur Überarbeitung zu zwingen. Muss ein Mensch jedoch für alles bezahlen, was er bekommt, so wird er selbst entscheiden, wieviel Einkommen er wirklich braucht, und wie viele Stunden pro Woche er folglich arbeiten muss. Will er täglich einige Stunden dem Malen oder Meditieren widmen, so hat er bei diesem System eher die freie Zeit dafür.

Der Unterschied zwischen dem hier vorgeschlagenen Wirtschaftssystem und einem normalen System des freien Unternehmertums besteht darin, dass unser Mitglied wie in jedem kooperativen Unternehmen ein Teilhaber der Gemeinschaft bleibt. Durch Lohnerhöhung, Rabatt, Gewinnanteile oder besondere Zuwendungen empfängt er seinen Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung der Gemeinschaft. Es liegt an ihm, durch seinen Arbeitsbeitrag diesen Aufschwung zu fördern oder zu dämpfen.

Kapitalistische Gesellschaftssysteme preisen gerne die Vorzüge des Kapitalismus über den Kommunismus. Mir persönlich scheint, die Menschheit hält immer noch Ausschau nach der idealen Lösung. Gewiß hat der Kapitalismus dem Kommunismus etwas voraus, doch liegt der Unterschied in Bemessung und Abstufung, und nicht in der polaren Gegensätzlichkeit.

Kapitalismus ist eine Art von ungreifbarem Miet oder Besitzerverhältnis. Denken wir zurück, wie es vor der Französischen Revolution aussah. Die Aristokratie wollte luxuriösen Hof halten. Sie betrachtete ihre Besitztümer und gleichzeitig die Bauern, die dafür arbeiteten, als reine Instrumente für ihren verschwenderischen Lebensstil. Die meisten Angehörigen dieser Oberschicht kümmerte es nicht, wie die Bauern lebten; sie sahen auch kaum je die Menschen, von deren Abrackern sie ihr Einkommen bezogen.

Lässt sich da nicht eine gewisse Paralelle zu unserem modernen kapitalistischen System ziehen? Ohne Kapital kann kein Unternehmen florieren, und eine Firma muss dieses Kapital typischer weise mit Aktienverkäufen aufbringen. Die Firmenangestellten sind nicht ganz im gleichen Dienstverhältnis wie die Bauern im damaligen Frankreich. Und doch: Gewöhnlich haben jene Menschen, welche Aktien einer Firma erwerben, wenig Interesse am Wohlergehen der Belegschaft. Ihr Augenmerk gilt ihrem Profit.

Wäre nicht eine idealere Vorstellung ein System, in dem die Arbeiter gleichzeitig auch Eigner ihrer Firma sind? Als

Mitbesitzer hätten sie ein allumfassendes Interesse und würden sich nicht nur auf den geldmässigen Profit konzentrieren. Sie würden sich selbst ein angenehmes Arbeitsklima und Produkte erschaffen wollen, die sie stolz machten, und sie empfänden überdies Genugtuung dabei, mitverantwortlich zu sein für das Prosperieren ihres Unternehmens.

Solche echte Wohlhabenheit entsteht unter den ökonomischen Bedingungen einer Idealistischen Gemeinschaft. Das empfohlene System kann im einzelnen so beschrieben werden:

Arbeit, die für die Gemeinschaft geleistet wird, wird, wenn möglich, nach Höhe der plausiblen Bedürfnisse des einzelnen Mitglieds bezahlt. Für einen Teil des Einkommens der Gemeinschaft kommen die gemeinschaftseigenen Unternehmungen auf. Den Rest entrichten die Mitglieder und privat betriebene Firmen innerhalb der Gemeinschaft über Steuerabgaben.

Private Firmen sollten zugelassen sein. Unternehmerisch veranlagte Mitglieder müssten Ermutigung finden, ihre eigenen Firmen und Geschäfte zu gründen - immer natürlich unter Zustimmung der Gemeinschaft. Sie können andere zu Löhnen beschäftigen, die sie sich selbst leisten können. Und alle Mitglieder sollten ermuntert werden, nach eigenem Ermessen und aus eigenem Antrieb zum allgemeinen Wohlergehen beizutragen.

Damit keiner durch privaten Reichtum die Gemeinschaft unter seine Kontrolle bringen kann, sollte man die übliche Praxis von Kooperativen einhalten: Jedes Mitglied hat nur eine Stimme, egal wieviel Geld es in die Gemeinschaft einbrachte. Jedes voll stimmberechtigte Mitglied muss jedoch einen Mindestbetrag einzahlen. Bei Ananda haben wir gegenwärtig eine Aufnahmegebühr von 1500 Dollar für Einzelpersonen und von 2500 Dollar für Ehepaare festgelegt.

Es wird erwartet, dass jeder Einwohner und jede Einwohnerin einen monatlichen Beitrag für die allgemeinen Dienstleistungen der Gemeinschaft, die Unterhaltsarbeiten, Verbrauch, die Steuer- und Hypothekenlasten, Grund und Boden entrichtet.

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Aus: "Idealistische Gemeinschaften" von Swami Kriyananda, direkter Jünger Paramahansa Yoganandas