Paramahansa Yogananda



Auferstehung und die Bedeutung von Göttlichen Prüfungen

Im Evangelium des Hl. Johannes, Kapitel 20, steht eine berühmte Geschichte:

     " Am ersten Tag der Woche (Sonntag) kamen sie in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging. Sie sagten zueinander: "Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen ?" Da sahen sie, dass der Stein vom Grab weggewälzt war; sie gingen hinein, aber den Leichnam Jesu, des Herrn, fanden sie nicht.

     Die Engel aber sagten zu den Frauen: "Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten ? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden. Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war: Der Menschensohn muss den Sündern ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen."

      Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!"

 Die Auferstehung Jesu ist die letzte und größte Lektion seiner Mission auf Erden. Mit der Zeit hätten die Menschen sein Leid und seinen Tod akzeptiert als den Gipfel seines Lebens, wäre da nicht der freudige Ausgang.

 In der die Kreuzigung betonenden Überlieferung ist die Auferstehung nur als ein weiteres Wunder beschrieben worden, nicht als ein für uns anzustrebendes Lehrbeispiel. Die Auferstehung als Lektion zeigt das frohe Versprechen auf, das sich hinter allen Widrigkeiten des Lebens verbirgt: Der Sieg wartet auf alle, die die Härten des Lebens nicht mit Verzweiflung sondern mit Glauben tragen.

 Die Kreuzigung verkörpert die Verfolgung, die die Welt denen zufügt, die für Gott leben. Denn oft geschieht es, dass die Gläubigen für göttliche Liebe und Freundschaft Hass und Verachtung ernten. Die vor Stolz Trunkenen nehmen jeden Hinweis auf ihre Bedeutungslosigkeit im großen Zusammenhang der Dinge übel, dass nämlich nur ihre Seelen als Ausdruck von Gott wichtig sind.

 Die Auferstehung gibt uns nicht nur die tröstende Versicherung, dass der Himmel existiert, sondern auch, dass Liebe und Freude letztendlich stärker sind als Hass.

 Insofern heben die Kreuzigung und die Auferstehung genau die beiden essentiellen Bedingungen hervor, die zum Finden Gottes erforderlich sind: Die Bereitschaft, Seines Willens wegen jede Prüfung anzunehmen, und der Glaube, alles mit Liebe und Mut zu akzeptieren, in der festen Überzeugung, dass alles vergeht, aber die Liebe Gottes uns abergewiss bleibt.

 "Leben für Gott", sagte Paramhansa Yogananda einst dem Autor, "ist Martyrium." Dies bedeutet nicht nur das Hingeben des physischen Körpers, sondern sogar des ihn belebenden Egos.

 Im höchsten Sinne vollzieht sich die Auferstehung auf der Seelenebene. Kummer, das "Kreuz", das alle Menschen tragen, ist denjenigen willkommen, die nach Freiheit in Gott streben. Tatsächlich ist es der frohe Gehorsam, womit wir unsere karmischen Schulden begleichen können, ohne neue anzuhäufen. Widerwillen führt dagegen nur zu zusätzlicher Verschuldung. Das kosmische Gesetz ist unerbittlich. Es hat den Zweck, uns die zugrunde liegende Einheit allen Lebens begreifen zu machen.

 Wäre innere Freiheit leicht zu erreichen, so würde das bedeuten, dass sie sich kaum von Ego-Identifizierung unterscheiden würde, womit wir alle vertraut sind. Die "Perle größten Wertes" kann nicht mit entwerteter Währung erworben werden: Macht, Ruhm, Reichtum und körperliche und emotionelle Genüsse. Obwohl wir uns manchmal einbilden, Gottes Aufmerksamkeit sei anderswo, so ist Er uns ewig nah, noch näher als die tränenerfüllten Gebete, mit denen wir um Seine Hilfe flehen.

 Die Jünger Jesu wurden durch die Kreuzigung auf eine harte Probe gestellt. Sie hatten geglaubt, er würde zum König der Juden erklärt. Statt dessen wurde er von Narren gefasst, geschlagen, schändlich verurteilt und gekreuzigt. Für die Jünger setzte eine spirituell finstere Zeit ein. Sie versammelten sich heimlich, um nicht ebenfalls verhaftet und hingerichtet zu werden. Aber sie versammelten sich, und zwar mit Glauben. Sie alle, sogar Thomas (der "Zweifler"), kamen als Jünger zusammen.

 Und plötzlich steht Jesus mitten unter ihnen. Er sagt zu ihnen: "Friede sei mit euch." Diese wenigen einfachen Worte bezeugen das Ende aller göttlichen Prüfungen, sobald wir sie mit Liebe und Glauben annehmen. Diese Einstellung von Liebe und Glauben bedeutet keineswegs Passivität. Wie schwer der Kummer eines Menschen auch immer sein mag, wenn er ihn entschlossen empor zu Gott hingibt, dann muss das göttliche Licht schließlich für ihn erstrahlen. Gottes Frieden wird in sein Herz eintreten und ihm größeren Trost spenden als er sich je hätte vorstellen können.

 Der wahre Gläubige bleibt innerlich froh, während der finsteren und während der strahlenden Augenblicke des Lebens. Sein Glaube bleibt fest verwurzelt, auch wenn er im Sturm beben mag. Er nimmt jede Prüfung als ein vom Himmlischen Vater / von der Göttlichen Mutter gesandtes Geschenk an. Sogar beschwerliche Prüfungen sind für seine Seele - zugestandenermaßen nicht für sein Ego - so kostbar wie reizvoll verpackte Geschenke. Denn die Stürme des Lebens, auch wenn sie wie Boten des Unheils erscheinen, in Wirklichkeit erfrischenden Regen. Unser Bewusstsein wird danach wie zu einer saftigen, mit wilden Blumen himmlischen Trostes bedeckten Wiese.

 Gott ist unser unendlicher Geliebter. Er ist unser einziger, alleiniger, wahrer Freund. Unser ewiges Glück liegt ihm am Herzen. Die von Ihm gestellten Prüfungen haben nur den einen Zweck, dass wir in unserer Weisheit wachsen. Je eher wir sie mit Verständnis akzeptieren, desto eher werden wir zu der Erkenntnis gelangen, dass Er uns immer beigestanden hat - nicht wegen, sondern trotz unserer Fehler. Denn wir sind Sein. Selbst wenn wir durchs Feuer gehen müssten, würden wir unversehrt bleiben, und die Flammen wären Balsam für unsere Seele, die die über Äonen uns Schmerz zufügenden Unreinheiten verbrennen.

 Hab' Glauben in Gott! Liebe Ihn über alles andere. Gib Ihm dein Herz hin. Öffne dich Ihm sogar in deinen dunkelsten Stunden - gerade dann! Denn Er allein, und nicht die kurzlebigen Tautropfen irdischer Reize, kann dir den Frieden geben, nach dem sich deine Seele sehnt.

 Die Auferstehung Christi war ein äußerer Vorgang, aber er symbolisierte eine große innere Wahrheit: Eine Person, deren Liebe in allen Bewährungsproben unerschütterlich bleibt, wird am Ende die Auferstehung in ewiger Seligkeit erleben. Die Lehre der Wiederauferstehung trifft auch auf das Leben allgemein zu. Wiederauferstehung bedeutet, mit Paramhansa Yoganandas Worten, "jede nützliche und erhebende Veränderung". In diesem Sinne können wir in unserem Leben mehrmals eine Wiederauferstehung erleben.

 In Bezug auf die Notwendigkeit unserer inneren Wiederauferstehung, zitierte Yogananda häufig diese von Herzen kommende Beschwörung aus der Bhagavad Gita: "Oh Devotee: Bleibe Meinem Ozean des Leides und der Not fern!" Diese warnenden Worte Krishnas werden von folgendem Versprechen und Trost gemildert: "Arjuna, sei dir gewiss: Mein Devotee ist niemals verloren!"

übersetzt aus: The Promise of Immortality (Das Versprechen von Unsterblichkeit), 
von Swami Kriyananda