Erste Eindrücke
Mein erster Blick auf Mt. Washington Estates fiel auf hohe Palmen, welche die Einfahrtsstraße auf beiden Seiten säumten, sanft in der leichten Brise wogend, als ob sie einen freundlichen Gruß darbringen wollten: "Willkommen!" schienen sie zu murmeln. "Willkommen zu Hause!"
Norman führte mich durch die weitausladenden Gründe. Dann begaben wir uns zu zwei Tennisplätzen, die, wie Norman erklärte, jetzt für sanftere, yogischere Formen körperlicher Übung verwendet würden. Still sahen wir auf die weit unter uns liegende Stadt hinunter.
Ja, reflektierte ich, das war wirklich zu Hause! Wie viele Jahre lang war ich umhergewandert! Ich hatte mich zu fragen begonnen, ob ich irgendwo hin gehörte. Aber nun wusste ich plötzlich, dass ich hierher gehörte: genau hierher in diesen ashram; hier mit meinem guru; hier mit meiner geistigen Familie! Um mich schauend atmete ich tief den Frieden, der diesen heiligen Platz durchdrang.
Norman stand an meiner Seite und teilte wortlos meinen Höhenflug. Nach einiger Zeit wandten wir uns beide der gegenüberliegenden Richtung zu und blickten über einen attraktiven Rasen zu dem großen Hauptgebäude. Gelassen in sich ruhend schien es fast eine patrizische Güte auszustrahlen.
"Meisters Räume sind jene im obersten Geschoss rechts", sagte Norman, während er auf eine im dritten Stock liegende Reihe von Fenstern am östlichen Ende des Gebäudes zeigte. Er führte mich in eine große Halle, die einfach und geschmackvoll möbliert war. Wir durchquerten eine Tür am östlichen Ende, die in drei Räume führte, welche zu einer Druckerei umfunktioniert worden waren. Auf dem Weg zur Rückseite des Gebäudes passierten wir eine kleine Brücke, die einen anmutigen Innengarten überspannte, und betraten das Hauptbüro. Von hier, erklärte mir Norman, gingen Bücher, gedruckte Lektion und ein fortgesetzter Strom von Korrespondenz zu den Yogaschülern in alle Welt hinaus.
Über den Westflügel kamen wir zur Halle zurück. Große Schwingtüren führten in eine Kapelle. Ich war von der geschmackvollen Einfachheit meines neuen Heims beeindruckt. Alles sah entspannend, bescheiden und harmonisch aus.
"Komm", sagte Norman, "lass mich dir unsere Zimmer zeigen. Jenes, das dir zugeteilt worden ist, liegt neben dem meinen."
Wir verließen das Hauptgebäude und gelangten über die Vordereinfahrt hinunter zu einem Häuschen, das malerisch inmitten ausladender Bäume, blühender Blumen und Fettpflanzen gelegen war. Ich war von der unerwarteten Einfachheit dieses kleinen Außengebäudes begeistert. Hier hatten vor Jahrzehnten die Hotelgäste auf die Seilbahngondel zum Marmion Way gewartet. Kürzlich sei der Warteraum "renoviert worden, wenn man so sagen kann", fuhr Norman lächelnd fort, und in Schlafbereiche für zwei geteilt worden. Er hatte den größeren der neuen Räume.
Wieso, wunderte ich mich, kamen wir junge Neophyten, die wir waren, zu solch bezaubernden Quartieren? Die Antwort war schnell zur Hand. Als wir das Gebäude betraten, hatte ich Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. Hier, so idyllisch in dem gesetzten Anwesen gelegen, zeigte sich eine Szene, die an den hastigen Wiederaufbau erinnerte, der wohl den Bombenangriffen während des Krieges gefolgt ist. Schulbuben hätten die ganze Arbeit getan, erklärte Norman. Als ich die Folgen untersuchte, fragte ich mich, ob die Jungen die Fenster und die Fensterstöcke generell als verschiedene Arbeitsgebiete betrachtet hatten. Die Fenster hingen jedenfalls in eigenartigen Winkeln, die mit Rahmen nur entfernt etwas zu tun hatten. Monate später erteilten sie den Winterwinden eine freundliche Einladung, hereinzukommen und sich häuslich zu fühlen.
Die Wände, hergestellt aus Gipsplatten, waren mehr oder weniger nach Augenmaß zugeschnitten worden. Hie und da brachten sie es zuwege, die Decke scheu zu berühren, aber die Lücke zum Boden war nirgendwo weniger als fünf Zentimeter. Die daraus resultierende Topographie schuf ein wohliges Dunkel für Spinnen jeder Art. Der Fußboden war es jedoch, der für das "piece de resistance" sorgte. Er schien aus einer Mischung von Bimsstein und Zement zusammengesetzt zu sein. Diese Substanz war, wie ich später erfuhr, die stolze Erfindung von Dr. Lloyd Kennell, einem Geistlichen unserer Kirche in San Diego. Dr. Kennell hatte geprahlt, sein Produkt würde "das Taj Mahal überdauern". Tatsächlich tat es jedoch bereits jetzt das Beste dazu, den biblischen Ausspruch "Staub bist du!" zu belegen. Jeder Fußtritt lockerte einen Teil dieses Wundermaterials, welches in kleinen Wolken aufstieg, um sich dann überall niederzulassen: auf Kleidern, Büchern, Möbeln ...
Nicht, dass der Raum irgendwelche Möbel beinhaltet hätte, abgesehen von einem harten Holzbett, das, wie mir Norman versicherte, gut für die Körperhaltung sei. Der kleine Kleiderschrank hatte keine Tür, um die Kleider vor dem allgegenwärtigen Staub zu schützen. Mit Normans Hilfe fand ich eine alte, ausgediente Steppdecke in der Gerümpelkammer. Doppelt gefaltet bildete sie eine angemessene Matratze. Ich trieb auch ein altes Tischchen auf, wackelig auf seinen eigenen Beinen, aber einigermaßen stabil, wenn man es in eine Ecke platzierte. Für einen Sessel wurde eine Orangenkiste zur Benützbarkeit gebogen. Und einige Tage danach stieß ich noch auf einen großen, fadenlosen Teppich. Obwohl sein Muster unergründlich war, hielt er doch Staub von dem sich schnell auflösenden Boden ab. Statt einer Schranktür verwendete ich einen Streifen eines Mönchstuchs, der wenigstens Teile der Öffnung verdeckte. (Nun musste ich dem Staub wenigstens nicht dabei zusehen, wie er sich auf meiner Garderobe niederließ!) Eine Glühbirne baumelte unheildrohend am Ende eines langen, ziemlich brüchigen Kabels inmitten des Raumes. Die Toilette war im Hauptgebäude, welches nachts verschlossen blieb. Erst ein Jahr später gab man mir Vorhänge für meine Fenster.
Es wunderte mich nicht weiter, dass die älteren Mönche es vorzogen, im Hauptgebäude zu wohnen. Aber ich war so durch und durch begeistert, im Ashram meines Gurus zu sein, dass mich diese Unbequemlichkeiten nur ein heiteres Lachen kosteten.
Ich lachte jetzt oft. Die eingefahrene Agonie vergangener Jahre fand ihre Lösung durch Welle um Welle des Glücks. Alles, wonach ich immer verlangt hatte, schien nun mein, in diesem meinem neuen Lebensstil.
Und dennoch, hingerissen wie ich war, belästigte mich mein Verstand mit zahllosen Fragen. Mein Herz und meine Seele waren wahrlich bekehrt worden, mein Intellekt jedoch hinkte weit nach. Reinkarnation, Karma, Überbewusstsein, göttliche Ekstase, die astrale Welt, Meister, Gurus, Atemübungen, Vegetarismus, Reformkost, "sabikalpa" und "nirbikalpa samadhi", Christusbewusstsein — huff! All das war für mich eine Reihe neuer und phantastischer Konzepte.
Ich arbeitete auf dem Anwesen mit Norman und einem älteren Mönch namens Jean als Gärtner, Maurer und Hilfskraft für alle möglichen und unmöglichen Aufträge.
Die ansprechendste Sache meines neuen Quartiers war ein kleines Kellerabteil, das man über ein paar enge Stufen am Ende des Raumes erreichte. Es erwies sich als idealer Meditationsraum.
An meinem ersten Abend auf Mt. Washington suchte Rev. (Abk. f. Reverend, was unserem "Hochwürden" entspricht; Anm.d. Übers). Bernard, der Jünger, den ich in Meisters Sprechzimmer in der Hollywood-Kirche gesehen hatte, mein Zimmer auf. Er lehrte mich eine althergebrachte Yogatechnik der Konzentration und fügte einige allgemeine Ratschläge hinzu.
"Wenn du diese Technik gerade nicht praktizierst, versuche, deinen Geist am Punkt zwischen den Augenbrauen zentriert zu halten. Dies ist das Christuszentrum, der Sitz spiritueller Schau."
"Würde es helfen", fragte ich ihn, "meinen Geist überhaupt den ganzen Tag lang dort zu konzentrieren?"
"Sehr viel! Als Meister im Ashram seines Gurus lebte, übte er sich gerade darin, seinen Geist die ganze Zeit über dort fixiert zu halten.
Durch Konzentration auf das Geistige Auge nimmt das Bewusstsein allmählich die Eigenschaft göttlichen Lichts an. Das ist es, was Jesus meinte, als er sagte: "Das Auge ist des Leibes Leuchte. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein." (13)
13) Matthaus 6:22 (die hier wiedergegebene Übersetzung in der Lutherbibel ist ein Beispiel für die zahlreichen Verfälschungen der Originallehre Jesu, die auf einem Mangel an faktischer spiritueller Erfahrung beruhen. Der Autor, der in seinen Vorträgen häufig auf diesen Umstand zu sprechen kommt, erklärte mir, dass im Urtext nicht von einem lauteren, sondern einem einfältigen Auge die Rede ist. Jesus spiele damit eindeutig auf das "Dritte" oder "Geistiges Auge" am Punkt zwischen den Augenbrauen an. Anm.d. Übers.).
Nachdem mich Bernard verlassen hatte, übte ich für eine Weile die Techniken, die er mir beigebracht hatte. Später ging ich hinaus und stand wieder über den Tennisplätzen. Diesmal überschaute ich einen weitläufigen Teppich blitzender Lichter. Wie lieblich war diese riesige, überschäumende Stadt des Nachts! Aber die Elektrizität, so besann ich mich, erhellt nur die Verkehrswege dieser Welt. Das göttliche Leuchten hingegen erhellt die Pfade zur Unendlichkeit.
"Herr", betete ich, "obwohl ich unzählige Male stolpere, werde ich niemals aufhören, Dich zu suchen. Leite meine Schritte immer vorwärts, hin zu Deinem unendlichen Licht!"
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Aus: "The Path" von Swami Kriyananda, direkter Jünger Paramahansa Yoganandas