Arbeit und Meditation

"Meister lehrte mich einmal eine gute Lektion über die Einstellung zur Meditation." Mrs. Vera Brown (jetzt Meera Mata), eine fortgeschrittene ältere Jüngerin, der Meister die Verantwortung der Ausbildung für einige Neuankömmlinge übertragen hatte, teilte mit mir einige ihrer Erfahrungen mit unserem Guru.

",Du arbeitest zu schwer', sagte mir Meister eines Tages. ,Du musst weniger arbeiten. Wenn du das nicht tust, wirst du deine Gesundheit ruinieren.'

Sehr gut, dachte ich, ich werde versuchen, nicht so viel zu tun. Zwei oder drei Tage später gab mir Meister zu meiner großen Überraschung mehr Arbeit zu erledigen!"

Mrs. Browns Augen blinkten. ",Okay, Meister', dachte ich, 'Ihr müsst wissen, was Ihr tut.' Ich übernahm meine neuen Pflichten. Die ganze Zeit aber fragte ich mich, wie all diese Extra-Arbeit mit seinen Instruktionen, weniger zu arbeiten, in Einklang zu bringen sei.

Nun, ein paar Tage danach sagte mir Meister wiederum, energisch diesmal: ,Du darfst nicht so hart arbeiten. Du hast während dieser Lebensspanne genug Arbeit für mehrere Inkarnationen geleistet.'

Was sollte ich tun? Wieder schränkte ich meine Aktivitäten ein, nur um von Meister nach zwei oder drei Tagen mehr Arbeit als je zuvor übertragen zu bekommen!

Wir wiederholten dieses kleine Spiel mehrere Male. Jedes Mal, wenn Meister mir sagte, ich solle weniger arbeiten, fügte er bald danach weitere Pflichten zu meinen alten hinzu, welche mich zwangen, mehr zu tun. Ich stellte mir vor, er musste wissen, was er tat, und es lag wohl an mir, zu verstehen, was es war. Schließlich meinte ich eines Tages zu Meister: ,Sir, wir verwenden in unserem Leben hier das Wort Arbeit; warum ersetzen wir es nicht durch Service?'

Meister lachte. ,Es ist eine gute Show gewesen', sagte er. ,Dein ganzes Leben hast du immer gedacht, Arbeit! Arbeit! Arbeit! Gerade dieser Gedanke erschöpfte dich. Sieh nur, wie unterschiedlich du dich fühlst, wenn du Arbeit als göttliches Service betrachtest! Wenn du handelst, um Gott zu gefallen, kannst du doppelt so viel tun und dich niemals müde fühlen!'"

Mrs. Brown, deren zerbrechlicher Körper niemals an Energie zu verlieren schien, unbeschadet dessen, wie viel sie arbeitete, lachte vergnügt. "Du siehst, einzig der Gedanke, Gott zu gefallen, erfüllt uns mit Seiner Energie. Meister sagt uns, es ist unsere Unwilligkeit, die uns von diesem Energiefluss abschneidet."

"Das ist wahr", antwortete ich nachdenklich. "So oft ich dieses Prinzip in die Praxis umgesetzt habe, fand ich es auf wundersame Weise arbeiten. Aber manchmal stoße ich auf ein anderes Hindernis: jenes der übergroßen Willigkeit. Was kann man dagegen tun?"

"Wie kann man zu willig sein?"

"Nun, was ich meine, ist, dass ich über das, was ich tue, überenthusiastisch werde. Als Folge davon verliere ich meinen inneren Frieden und falle in das alte Bewusstsein harter Arbeit zurück, das in Erschöpfung endet."

"Ich verstehe." Mrs. Brown nickte einsichtig. "Das stimmt. Ohne inneren Frieden verlieren wir das Bewusstsein von Gottes Präsenz. Und wenn wir ihn nicht in uns fühlen können, sind wir uns auch seiner Energie nicht wirklich gewahr." Wieder lachte sie herzlich. "Meister brachte mir auch diesbezüglich eine gute Lehre bei.

Eines Tages kochte er in seiner Küche. Ich war bei ihm. Da ich nichts besseres anzufangen wusste, entschloss ich mich, hinter ihm aufzuräumen. In dem Augenblick, da er eine Pfanne entleerte, reinigte ich sie. Wann immer er etwas verschüttete, machte ich sofort sauber.

Nun, er begann mehr und mehr Pfannen zu benützen und kleckerte mit immer mehr Lebensmitteln herum. Ich arbeitete schneller und schneller, um mit ihm mitzuhalten. Niemals in meinem ganzen Leben hatte ich eine derart schlampige Kocherei gesehen! Schließlich gab ich auf. Ich stellte fest, dass ich genauso gut warten könnte, bis er fertig war, ehe ich weitermachte.

Als ich mich setzte, um ihn zu beobachten, bemerkte ich sein Lächeln. Jetzt, sah ich, machte er keine Unordnung mehr. Zu guter Letzt dämmerte mir, dass er mir nur den Unterschied zwischen ruhiger, an Gott erinnernder Tätigkeit und der Art von Rastlosigkeit, der sich jemand nur um der Aktivität willen befleißigt, zeigen wollte. Ich hatte in einem Geist von Geschäftigkeit gearbeitet. Meisters Weg, mir meinen Fehler bewusst zu machen, bestand darin, mich zu seiner logischen Folge zu geleiten."

Der geistige Weg würde, so könnte man vermuten, relativ leicht zu verstehen sein, wenn er nur Meditation, ekstatische Visionen und segensreiche Erweiterungen des Bewusstseins beinhaltete. Warum muss er durch mundane Aktivitäten, wie Löcher graben, Briefe schreiben und Küchen reinigen, verkompliziert werden? Man könnte, auf gewisser Ebene zumindest, mit jenem widerwilligen Jünger sympathisieren, der damals, als wir den Swimmingpool in Twenty-Nine-Palms fertig stellten, murrte: "Ich bin nicht hierher gekommen, um Zement zu schaufeln!" Manch ernsthafter "devotee" mag sich auch gefragt haben, was das Schaufeln von Zement (oder Graben von Löchern oder Schreiben von Briefen oder Zusammenräumen von Küchen) damit zu tun hat, Gott zu finden.

Die Antwort lautet ganz einfach: nichts! Nicht für sich allein jedenfalls. Der Zweck spiritueller Arbeit ist also in Wahrheit nicht, Dinge für Gott, sondern das Wichtigste für uns selbst zu tun: unsere eigenen Herzen zu reinigen.

Arbeit ist auf dem geistigen Pfad ein Hilfsmittel, um die Energien ständig dynamischerweise zu Gott zu kanalisieren.

"Lass jede Minute zählen", sagte Meister. "Die Minuten sind wichtiger als die Jahre." Leute, die ihre ganze Konzentration auf die Arbeit für Gott richten, stellen fest, dass sie auch tiefer meditieren können. "Wenn du für Gott arbeitest, statt für dich selbst", meinte Meister uns gegenüber eines Tages, "so ist das ebenso gut wie die Meditation. Dann hilft die Arbeit der Meditation und die Meditation der Arbeit. Du brauchst die Balance. Nur mit der Meditation wirst du faul, und die Sinne werden stark. Mit Arbeit allein wird der Verstand rastlos, und du vergisst Gott."

Meister brachte uns nicht nur bei, unsere Arbeit Augenblick für Augenblick Gott zu opfern, sondern Gott auch durch uns als den wirklichen Arbeiter wirken zu sehen. "Ich schlief", sagte er einmal, "und träumte ich arbeitete. Ich wachte auf und sah Gott arbeiten." Gott als den eigentlich Handelnden zu sehen heißt anzuerkennen, dass es Seine Energie und Inspiration ist, von der wir leben. Es bedeutet, kein persönliches Verdienst in Anspruch zu nehmen — wofür auch immer. Diese Einstellung hält einen bescheiden und vermehrt auch in großem Ausmaß seine Macht, Ziele zu verwirklichen.

In seiner Bemühung, uns von halbherziger Willigkeit abzubringen, drängte uns Meister, immer einen positiven Ausblick beizubehalten, Möglichkeiten eher zu bestärken, als sie mit zu vielen sogenannten "vernünftigen" Einwänden zu schwächen. Ich erinnere mich an eine seiner Begrüßungen: "Wie geht es dir, Walter?"

"Nun, gut", fing ich an ...

"Das ist gut!" fiel er sofort ein, im Keim erstickend, was er nur als leichten Anfall von Melancholie ansah.

Während er uns niemals in unseren Stimmungen unterstützte, ermunterte er uns dagegen, sie fest mit energetischen, positiven Bekräftigungen zu bannen. "Ich leide, wenn ihr Stimmungen ausgesetzt seid", sagte er einmal, "weil ich dann mit ansehe, wie Satan Zugang zu euch bekommt."

Eine Jüngerin, ein Mädchen von siebzehn, hatte eine gewisse Neigung zu Gefühlsschwankungen. "Wenn du unglücklich sein willst", sagte Meister einmal zu ihr, "kann dich niemand in der Welt glücklich machen. Und wenn du dich für das Glück entscheidest, dann ist niemand in der Welt in der Lage, das Gegenteil zu bewirken." Daya Mata erzählte mir einmal: "Meister ließ uns nicht einmal in seiner Umgebung sein, wenn wir launisch waren."

Wechselnde Stimmungen waren nicht oft mein spezifisches Problem, doch erinnere mich einer, die mich eines Tages überkam, und ebenso der Methode, die ich für deren Bekämpfung entdeckte. Es war im Februar oder März 1949. Meister war mehrere Wochen von Mt. Washington weg gewesen, und ich hatte ihn während dieser ganzen Zeit nicht gesehen. Ich begann, seine Absenz bitter zu fühlen. Zu guter Letzt kehrte er zurück. Am nächsten Tag erhielt ich die Nachricht von oben, ich solle jemanden mit einer Zwanzig-Liter-Flasche voll Trinkwasser in seine Küche hinaufschicken. Begierig wies ich mir den Job selbst an. Als ich mit der Flasche im oberen Stockwerk ankam, konnte ich Meister in seinem Wohnzimmer einen Brief diktieren hören. In der Hoffnung, seine Aufmerksamkeit zu erregen, schüttelte ich die Flasche und machte so viel Lärm, als ich nach meinem Gefühl bei einer Sache tun konnte, die ein Minimum an Tumult erforderte. Meister schenkte mir keine Beachtung.

"Es ist ihm egal, da ich ihn misse!" dachte ich und verfiel plötzlich in eine gewaltige Depression. "Ich bin nur ein Arbeiter für ihn, kein Jünger!" Ich beeilte mich, über die unsensible Natur dieser Welt zu brüten, in der sich niemand wirklich um den anderen kümmert. Augenblicke später machte ich eine abrupte Kehrtwendung: "Nein, Meister kümmert sich, aber er kommt zu der Einsicht, dass ich ein derart hoffnungsloser Fall bin, dass er ebenso gut aufhören könnte, Wasser in einen bodenlosen Topf zu gießen! " Hin und her wälzte sich mein Verstand. Ich versuchte, mit mir selbst zur Vernunft zu kommen: "Sieh doch, er ist offensichtlich beschäftigt. Warum soll er gerade für dich alles fallen lassen?"

"Ja?" gab mein widerspenstiges Gemüt zurück. "Wahrscheinlich sagte er sich: ,Vorsicht, hier kommt dieser wertlose Jünger Walter! Schnell, lass mich einen Brief als Entschuldigung diktieren, damit ich ihn nicht hereinrufen muss."'

Die Ratio würde mich offensichtlich nicht aus diesem gedanklichen Strudel herausziehen. Es ist in der Tat die Tendenz des Verstandes, jegliches Gefühl, das im Kopf gerade vorherrscht, zu unterstützen.

"Seid ihr gerne launisch?" begehrte ich von meinen mentalen Einwohnern zu wissen.

"Nein!" kam der Chor Hintergrund.

— einstimmig, bis auf ein oder zwei Nörgler im

"Sehr gut; wenn es mit Vernunft nicht geht, lasst uns sehen, ob eine Änderung in der Bewusstseinsebene das Kind schaukeln kann."

Ich ging hinunter in meine Meditations-Höhle" und verankerte meinen Verstand tief im Christuszentrum zwischen den Augenbrauen. Fünf Minuten - das war alles. Nach dieser Zeit war meine Stimmung so positiv, dass ich nichts weiter bekräftigen musste. "Aber natürlich ist er beschäftigt!" dachte ich. "Hat er uns nicht oft klar gemacht, dass unser wirkliches Beisammensein mit ihm innerlich, in Meditation stattfindet? Und was wäre, wenn alle Jünger selbstsüchtig seine Zeit in Anspruch nehmen wollten? Es bliebe ihm keine Zeit, seine Schriften fertig zustellen, die Tausenden helfen werden. "

"Sir", fragte einmal jemand den Meister, "was verursacht Launen?"

"Launen", antwortete er, "sind die Folge vergangenen übermäßigen Schwelgens in Sinnesgenüssen, fortgesetzter Übersättigung und Widerwillens. Wenn man seine Launen auslebt", fügte er warnend hinzu, "verstärkt man den Pendelschlag des Verstandes in Richtung Sinnenfreuden abermals. Denn so funktioniert das Gesetz der Dualität: gleich einem Pendel ständig zwischen einander entgegengesetzten Erfahrungsakten hin und her schwingend. Wenn man von einer Seite der Pendelbewegung Energie abzieht, indem man den Launen nicht nachgibt, wird man in der Gegenrichtung eine Schwächung der sinnlichen Beeinflussung feststellen können. "

Auch in anderer Weise lernte ich, wie wichtig es ist, sich nicht zu sehr seinen mentalen Tendenzen hinzugeben. Während meines ersten Jahres auf Mt. Washington wurden meine Meditationen für einige Zeit durch eine fast besitzergreifende Schläfrigkeit gestört. Kaum saß ich in Meditationsstellung, begann das Einnicken. Eines Tages fühlte ich mich innerlich besonders freudig und sah begierig der abendlichen Versenkung entgegen. Aber zu meiner nicht geringen Erbitterung sank in dem Moment, als ich zu meditieren begann, die gewohnte Schläfrigkeit wie ein dichter Nebel auf mich herab. Ich war wütend.

"Nachdem du so stark auf Schlaf bestehst", beschimpfte ich mein Gemüt, "werde ich dich überhaupt nicht schlafen lassen!"

Ich blieb die ganze Nacht auf — schrieb Briefe, spazierte auf dem Gelände herum, trank Tee — alles mögliche, um mein insistentes Verlangen nach Schlaf niederzukämpfen. Als die Dämmerung hereinbrach, ging ich in den Garten, um hart zu arbeiten. Bis zum folgenden Abend war mein Gemüt so unterwürfig geworden — von der Vorstellung terrorisiert, nehme ich an, dass es zu einer zweiten schlaflosen Nacht missbraucht werden könnte — , dass meine meditative Müdigkeit völlig verschwand und mich für viele Monate unbehelligt ließ.

An der Meditation arbeitete ich ebenso hart, wie unter Tags in meinen verschiedenen Tätigkeitsbereichen. ("Zu hart", sagte mir Meister einmal. "In der Meditation solltest du die Betonung mehr auf die Entspannung legen.") Bald begriff ich, dass das Sprichwort "Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden" auf spirituelle Erwartungen ebenso zutrifft wie auf weltliche.

Während meiner samstäglichen langen Meditationen versank ich tiefer und tiefer in innere Stille. "Nur ein bisschen mehr Bemühen", begann ich zu überlegen, "und ich werde in volles Überbewusstsein gleiten." Eines Samstagmorgens betrat ich meine Höhle mit der festen Entschlossenheit, die Meditation nicht zu beenden, bevor dieses Ziel erreicht war. So saß ich neun Stunden lang unter Aufbietung der gesamten Willenskraft, der ich fähig war. Zum Schluss musste ich erschöpft meine Niederlage zugeben. Ich hätte meine Entmutigung vermeiden und genug Selbstvertrauen hinüberretten können, um es an den kommenden Samstagen weiterzuversuchen. Aber wie die Dinge lagen, vergingen, obwohl ich weiterhin regelmäßig meditierte, Monate, bis ich wieder eine wirklich tiefe Anstrengung machen konnte. Auf diesem Versagen beruhte übrigens mein Schläfrigkeitswahn.

Doch selbst zu dieser Zeit gab es Kompensationen: zuweilen tiefe Freude in Augenblicken innerer Stille, wachsende Hingabe und segensreiche innere Töne — einen im speziellen, der an Wind in den Bäumen erinnerte. Meister riet uns dringend, über unsere meditativen Erlebnisse nicht zu sprechen; daher ziehe ich es vor, die kostbarsten von ihnen in meinem Herzen verschlossen zu halten.

Ich arbeitete intensiv, um Devotion zu entwickeln — durch Singen und tägliches Beten um die Gnade tiefer Liebe zu Gott. Meister lächelte mich eines Tages liebevoll an. "Mach weiter mit deiner Hingabe", sagte er. "Sieh, wie trocken dein Leben ist, wenn du vom Intellekt abhängst."

Seine Hilfe war für jedermann erreichbar, der ihn im Geiste während der Meditation anrief. Hier war er der Führer, der uns nach Maßgabe unserer Aufnahmebereitschaft stets subtil anleitete, die richtige Art spirituellen

Strebens zu unternehmen. Manchmal pflegte er uns auch, wenn wir ihm unter Tags begegneten, Anweisungen für unsere Meditationen zu geben. Er wachte in der Tat über all unsere Wege. Stets erstaunte mich aufs Neue, wie er es zustandebrachte, trotz der hohen Anzahl von Jüngern all unserer Bedürfnisse vollkommen gewahr zu sein.

"Ich gehe jeden Tag durch eure Seelen", erzählte er uns. "Wenn ich etwas in euch sehe, dass der Korrektur bedarf, sage ich es euch. Andernfalls sage ich nichts." Bei anderer Gelegenheit bemerkte er: "Ich habe das Leben jedes einzelnen von euch gelebt. Viele Male versenke ich mich des Nachts so tief in eine Person, dass ich mich beim Aufwachen am Morgen für diese Person halte! Das kann eine furchtbare Erfahrung sein, wenn es sich um jemand voll von Launen und Sehnsüchten handelt."

Mrs. Michelle Evans, die Dame, die ich in San Diego in Kriya-Yoga einweihte, berichtete mir: "Ich pflegte zu trinken — nicht viel, sondern wie es halt die meisten Leute tun — , um gesellschaftsfähig zu sein. Als ich Meister traf, sagte er mir, ich solle es aufgeben. Für einige Zeit nahm ich gar nichts Alkoholisches zu mir. Aber dann kam ich zum Schluss, Bier würde bestimmt nicht zählen, nicht wahr? Noch Wein? Ich meine, sie sind wirklich nicht der gleichen Gruppe wie Whisky und Brandy zuzurechnen, oder? Daraufhin begann ich, beide Getränke wieder gelegentlich zu konsumieren. Auf diese Weise musste ich auch weniger Erklärungen machen, wenn wir Gäste hatten.

Nun, als ich Meister das nächste Mal in San Diego traf, sah er mich auf gewisse Art durchdringend an und sagte: ,Ich meinte alle alkoholischen Getränke!' Gut! Welche Möglichkeiten hatte ich seither? Jedes Mal, wenn ich umfiel, würde er es wissen!"

Jan Savage, ein junger Bub von neun Jahren, der mit seiner Mutter auf Mt. Washington gekommen war, meditierte eines Tages mit Daniel Boone, einem meiner Mitbrüder, als er eine Vision Jesu Christi hatte. Begeistert erzählte er Boone davon.

"Es könnte eine Einbildung sein", sagte dieser. "Rede lieber nicht mehr darüber, bevor du Meister konsultiert hast."

Meister, der zu dieser Zeit außer Haus war, kehrte am folgenden Sonntag zurück, um den Gottesdienst zu halten. Danach schloss sich Jan der Reihe jener an, die auf des Meisters Segen warteten. Als er nach vorne kam, streckte ihm Meister seine Hände entgegen und strich ihm herzlich über das Haar.

"So!" rief er aus. "Der kleine Jan hatte eine Erscheinung von Jesus Christus. Das ist sehr gut. Das war eine wahre Vision!"

Boone erzählte mir im Februar von einem eigenen Erlebnis, das eintrat, nachdem er seine Gedanken beständig für zwei Tage auf den Guru gerichtet hatte. Ihm wurde ein Zustand der Ekstase verliehen, in welchem er völlig außerstande war, seinen Körper zu fühlen, selbst wenn er sich herumbewegte und seine tägliche Arbeit in der Druckerei verrichtete. "Ich musste schließlich darum beten, das Körpergefühl wieder zu erlangen", sagte er. "Ich fürchtete, ich könnte mir an der Maschine Verletzungen zuziehen."

Gut, dachte ich, das war etwas für mich! Mehr auf die Erfahrung selbst, fürchte ich, als auf demütige innere Übereinstimmung mit meinem Guru erpicht, hielt ich meinen Verstand konzentriert auf den Meister gerichtet. Er war zu dieser Zeit in Encinitas, kehrte aber zwei oder drei Tage später nach Mt. Washington zurück. Ich traf ihn an der vorderen Veranda, als er einlangte.

"Welche Art von Unfug hast du vor, Walter?" Er lächelte vielsagend.

"Keine, Sir." Unfug? Es erschien mir nicht als Unfug.

"Bist du sicher, dass du nicht irgendwelchen Unfug vorhast?"

Ich begann zu verstehen, was er meinte, war aber widerwillig, seine Definition meines Vorhabens zu akzeptieren. Als er zur Tür hineinging, lächelte er liebevoll. Nachdem ich die Sache überdacht hatte, musste ich mir eingestehen, dass zwar meine Praxis richtig war, nicht aber meine Erwartungen.

"Sucht nicht nach Meditationserlebnissen", lehrte uns der Meister. "Der Pfad zu Gott ist kein Zirkus."

Bewegender war da schon das Erlebnis eines anderen Jüngers, Rev. Michael, der — in tiefer Liebe zu Meister — im Geist oft die Worte wiederholte: "Ich liebe Euch, Guruji."

Eines Tages antwortete Meister zu seiner Freude auf seine stille Darbringung. Die beiden trafen sich zufällig im Garten der Einsiedelei in Encinitas. Mit einem Blick tiefer Sanftheit sagte der Guru: "Ich liebe dich auch."

Meister antwortete augenblicklich auf ernsthafte Liebe. Eines Tages vermisste ich ihn intensiv und fuhr nach Encinitas hinunter, wo er sich damals aufhielt. Kurz nach meiner Ankunft passierte er eine Gruppe von uns, als er von einer Ausfahrt zurückkehrte. Er sah mich und lud mich ein, mit ihm zur Eremitage hinaufzufahren. "Du bist mir abgegangen", sagte er mir herzlich. Wie selten werden jemandes unausgesprochene Gefühle so sensitiv erkannt, dachte ich.


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Aus: "The Path" von Swami Kriyananda, direkter
 Jünger Paramahansa Yoganandas