Paramhansa Yogananda

Am 5. Januar fanden sich die Jünger auf Mt. Washington zusammen, um Paramhansa Yoganandas Geburtstag zu feiern. Während eines Essens sprach er von seinem Sehnen, über die ganze Welt hinweg ein Erwachen göttlicher Liebe zu sehen.

"Während meiner ersten Jahre des Lebens in diesem Lande hätte ich nicht einmal geträumt, dass solch ein Gemeinschaftsgefühl in der Liebe Gottes hier möglich wäre. Es existiert nur, weil ihr die Ideale, die ich hochgehalten und in der Gegenwart meines großen Gurus praktiziert habe, gelebt habt."

Freundschaft in Gott war bestimmt der Schlüssel unserer Beziehung zu ihm. Das bedeutete keine einfach funktionierende Beziehung, wie sie weltliche Leute untereinander vergnüglich finden, sondern verlangte von uns vielmehr das Äußerste. Die Freundschaft, die uns unser Guru erwies, richtete sich an unsere Seelen. Sich ihrer würdig zu erweisen, bedeutete immer, danach zu trachten, ihm auf dieser göttlichen Ebene zu begegnen. Diejenigen, die ihrem Verlangen nach Ego-Befriedigung anhafteten, brauchten keinen Abstrich von der reinen Eigenschaft seiner Freundschaft zu erwarten. Wenn ihm ein Jünger schmeichelte, pflegte ihn Meister still anzuschauen, als ob er sagen wollte: "Ich werde die Liebe, die ich für dich trage nicht entweihen, indem ich eine solche Ebene der Kommunikation akzeptiere." Immer hielt er für uns das höchste Gut hoch, nach dem ein jeder streben konnte. Solch vollkommene Liebe stellt die anspruchsvollste aller Disziplinierungen dar, weil sie vom Jünger letzten Endes nicht mehr und nicht weniger verlangt als die völlige Gabe seiner selbst an Gott.

Die indischen Schriften stellen fest, dass die Seele, die ihrer Gebundenheit an den Egoismus entsagt, in das Meer des Geistes zurückschmilzt und eins mit ihm wird. Während die meisten von uns Meister auf der Grundlage verschiedener Grade von Ego-Bewusstsein liebten, war seine Liebe für uns ohne Grenzen — kosmisch. Gewöhnlichen menschlichen Wesen ist solche Liebe unfassbar. "Ich habe Yogananda schon lange getötet", sagte er. "Niemand als Gott wohnt nun in diesem Tempel." Seine Liebe zu uns war Gottes Liebe, verkörpert durch seine menschliche Gestalt.

Es hat mich immer verblüfft, dass jemand, dessen Weisheit und Macht so viel Ehrfurcht in anderen hervorrief, gleichzeitig zu jedem Menschen so demütig-respektvoll sein konnte. Einmal sah ich Meister, wie er sich nach einer öffentlichen Aufführung in Pasadena mit einer Gruppe von Indern unterhielt. Ein Mann in der Gruppe hatte, wie man es manchmal ausdrückt, "ziemlich Schlagseite". Das mit seiner Trunkenheit einhergehende "Verbrüderungsgefühl" veranlasste ihn, seinen Arm um Meisters Schulter zu werfen und per Spaß herumzuschreien, als ob sie beide Saufbrüder wären. Debi, der in der Nähe stand, machte einige abfällige Bemerkungen in Bengali.

"Lass das", sagte Meister, leicht streng den Kopf schüttelnd. In seinen Augen stand diesem Mann ohne Rücksicht auf seinen gegenwärtigen Zustand der Respekt vor einem Kind Gottes zu.

In Ranchi, Indien, erzählte man mir eine rührende Geschichte, die aus der Zeit von Meisters Rückkehr dorthin im Jahre 1935 datierte. In seiner Schule war ein Jubiläumsbankett geplant. Man benötigte jemanden, der das Präsidium der Feier übernahm, um ihr einen offiziellen Charakter zu verleihen, und empfahl den Namen von Gurudas Bannerji, einem prominenten Richter. Dieser Mann, allseits anerkannt, war, wie jedermann beipflichtete, die bestmögliche Wahl. Meister ging zu ihm, um ihn einzuladen.

Wie groß war seine Überraschung, als der Richter sein Kommen kühl ablehnte. Er wisse alles über Indiens sogenannte "heilige Männer", meinte er; jetzt sähe er sich einem typischen Beispiel für sie gegenüber. Sie wären unaufrichtig, auf das Geld der Leute aus, eine Last für die Gesellschaft. Er hätte keine Zeit, für ihre wertlosen Angelegenheiten zu sprechen.

Meister blieb, wenn auch erstaunt über diesen Empfang, ungerührt. Wie er uns sagte: "Lob kann mich um kein bisschen besser machen, noch Schmähung irgendwie schlechter. Ich bin, was ich bin vor meinem Gewissen und Gott." Nachdem der Richter ausgesprochen hatte, antwortete Meister in einem freundlichen Ton: "Gut, vielleicht denken sie noch einmal darüber nach. Wir wären sehr geehrt, wenn sie kämen."

Der Prinzipal einer örtlichen Schule war bereit, an Stelle des Richters den Vorsitz zu führen. Als alle an diesem Abend zu dem Bankett versammelt waren und man gerade beginnen wollte, fuhr ein Wagen heran, aus dem der ätzende Richter stieg. Weil Gurudas Bannerji in jener Gegend eine derart prominente Figur war, bot ihm der Schuldirektor freiwillig seinen eigenen Platz an.

Im Anschluss an das Festessen gab es verschiedene Rechenschaftsberichte. Einer behandelte das Wachstum der Schule und die Zahl der Studenten, die nach ihrer Graduierung Mönche und Religionslehrer geworden waren. "Wenn sich der gegenwärtige Trend fortsetzt", hieß es in diesem Bericht, "wäre bald ganz Indien voll von unseren Lehrern, die die althergebrachte Weisheit unseres Landes verbreiten."

Dann war der Richter an der Reihe. Er stand auf und sagte: "Heute ist einer der glücklichsten Tage meines Lebens. Diesen Morgen kam euer Swami Yogananda, um mich zu besuchen. Ich fühlte große Freude, ihn bei mir zu haben, aber ich beschloss, ihn auf die Probe zu stellen, um zu sehen, ob er wirklich ein so guter Mann war, wie er zu sein schien. Ich sprach ihn so grob an, wie ich nur konnte. Dennoch blieb er so gelassen und antwortete mir so freundlich, dass ich euch in aller Ernsthaftigkeit sage, er hat meinen Test besser bestanden, als ich es überhaupt für möglich gehalten hätte. Und ich will euch noch etwas sagen: Kümmert euch niemals darum, wie viele von den Absolventen Mönche werden. Indien hat viele Mönche. Aber wenn ihr nur einen Mann wie diesen hervorbringen könnt, wird nicht nur eure Schule, nicht nur unsere Stadt, sondern unser ganzes Land mit Ruhm bedeckt werden! "

So wunderbar Meisters Eigenschaft des allgemeinen Respekts auch war, so könnte man doch annehmen, dass dies wenigstens einen Nachteil zur Folge hatte: eine Unfähigkeit, die lustige Seite dessen zu sehen, was man oft die menschliche Komödie nennt. In Wahrheit jedoch habe ich niemals jemanden mit einem ausgeprägteren Sinn für den Unsinn gekannt.

Eines Tages in Chikago torkelte ein Betrunkener auf ihn zu und umarmte ihn inniglich. "Hello there, Jeshush Chrisht!"

Meister lächelte. Um dem Mann eine Kostprobe der unendlich besseren "Geister" zu geben als jener, die er selbst genossen hatte, schaute er tief in dessen Augen.

"Hui", grölte der Bursche, "was trinkst'n du?"

"Es hat einen ganz schönen Kick drin!" antwortete der Meister mit einem Blinzeln. Der Mann war stocknüchtern nach diesem Blick. "Ich ließ ihn zurück, rätselnd, was geschehen war", erzählte uns Meister später.

Selbst als Junge war des Meisters Magnetismus ungewöhnlich. Dr. Nagendra Nath Das, ein Arzt aus Calcutta und lebenslanger Freund, besuchte Mt. Washington im Juli 1950. Er berichtete uns: "Wo immer Paramhansaji hinging, selbst als Knabe, zog er die Leute an. Sein Vater, ein hoher Eisenbahnbeamter, gab uns oft Fahrkarten. Egal, wohin wir reisten — innerhalb von Minuten, nachdem wir aus dem Zug waren, pflegte uns eine Horde von Jungen zu umgeben."

Teil der Grundlage für Meisters erstaunliches Charisma war die Tatsache, dass er, weil er seinen Unendlichen Geliebten in allen menschlichen Wesen erkannte, auch in diesen einen verdeckten Glauben an ihre eigene Gutheit erweckte. Mit der Unpersönlichkeit wahrer Größe akzeptierte er niemals den häufig vorgebrachten Gedanken, sich von seinen Mitmenschen in irgendeiner Weise zu unterscheiden.

Bernard protestierte einmal, als Meister ein schwieriges Unterfangen von ihm verlangte: "Gut, Sir, Ihr könnt das machen. Ihr seid ein Meister."

"Und was, glaubst du, machte mich zu einem solchen?" wollte der Guru wissen. "Es war das Handeln! Häng dich nicht an den Gedanken von Schwäche, wenn es Stärke ist, was du begehrst."

Solcherart war die Beziehung, die Meister immer mit uns zu unterhalten suchte: eine Beziehung, in der wir mit unserem ganzen Wesen erkannten, dass auch wir Das waren.
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Aus: "The Path" von Swami Kriyananda, direkter
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